Die politische Lage in Niger gilt als sehr angespannt. Eine Workshop-Reihe zu konfliktsensitivem Journalismus soll dazu beitragen, Journalisten für eine ausgewogene Berichterstattung zu sensibilisieren.
"Ich habe die Tage bis zu unserem Workshop gezählt!" Hadi Yahaya schaut lächelnd in die Runde. 12 Radiojournalisten aus allen Landesteilen Nigers sind zum zweiten Modul des DW Akademie-Trainings "Konfliktsensitiver Journalismus" angereist. Im August hatten sie bereits an dem zehntägigen ersten Modul teilgenommen und gemeinsam Reportagen produziert.
Die politische Lage in Niger ist seit einigen Jahren sehr angespannt und macht konfliktsensitive Berichterstattung unverzichtbar. Internationaler Terrorismus beherrscht die gesamte Region, Entführungen und Drogenschmuggel durch die Sahara finanzieren Terrornetzwerke wie Al-Kaida. Durch den Krieg im benachbarten Mali hat sich diese Situation weiter verschärft. Glaubensextremismus, Terror gemischt mit Unabhängigkeitsbewegungen einiger Tuareg-Rebellen im Norden Malis haben Vorurteile besonders gegenüber der Tuaregbevölkerung geschürt.
Am ersten Workshop-Tag erzählen die Teilnehmer von ihren Erfahrungen. Besonders Balkissa Sidi Ahmed, eine Radiojournalistin aus Gaya, 200 Kilometer von der Hauptstadt Niamey entfernt, fühlt sich bestätigt. "Unsere Reportage aus dem ersten Workshop war hoch aktuell. Einer der Interviewpartner sagte: 'Wenn man nicht aufpasst, wird die Situation eskalieren!' Und genauso ist es gekommen: Gerade einmal zwei Tage nach unserem Kurs ist der Konflikt eskaliert." Gemeint ist der Zusammenstoß zwischen der Bevölkerung und Sicherheitskräften - Konsequenzen der aktuellen Antiterrorpolitik der Regierung. Seit Ausbruch des Krieges in Mali haben internationale Vertretungen in Niger ihre Sicherheitsvorkehrungen erhöht und unter anderem eine öffentliche Straße in Niamey gesperrt, so dass ein ganzes Stadtviertel von der übrigen Stadt abgeschnitten wurde. Das entflammte die Gemüter. "Wenn mehr Radios im Vorfeld berichtet hätten, wäre es womöglich nicht zu dieser Eskalation gekommen", meint Balkissa Sidi Ahmed.
Alle Teilnehmer sind sich einig, wie wichtig konfliktsensitiver Journalismus ist. Beim ersten Workshop im August wurden den Radiojournalisten die Grundlagen dazu vermittelt: Wie lässt sich ausgewogen über einen Konflikt berichten? Wie kann man bislang ungehörte Stimmen zu Wort kommen lassen? Und wie lassen sich Stereotypen vermeiden? Für den zweiten Workshop im Oktober sollten die Teilnehmer vorab recherchieren und eine Radioreportage vorbereiten. "Die Arbeit war schwierig", erzählt Assouma Tidjani, eine Teilnehmerin aus Tahoua, 500 Kilometer von Niamey entfernt. "Aber nach einer Woche Recherche hatte ich letztlich die Interviews, die ich wollte." Tidjanis Reportage handelt von den sogenannten eingeschlossenen Frauen in Niger, die nach ihrer Eheschließung das Haus nicht mehr verlassen.
"Für mich war die Reportage ganz einfach!" berichtet Hassimi Abdoulaye, aus Niamey. Aufgrund von guten Kontakten zur Feuerwehr konnte er seine Reportage über einen Unfall in den Straßen von Niamey ohne Probleme realisieren. Gute Kontakte hatte auch Mohamed Attan aus Agadez, der über Kinderhandel nach Libyen berichten wollte. Doch der Kontaktmann wollte nicht ins Mikrofon sprechen, obwohl der Journalist und er sich gut kannten. So musste sich Attan auf die schwierige Suche nach neuen Interviewpartnern machen. "Am letzten Tag vor meiner Abreise zum Workshop hatte ich endlich ein gutes Interview mit einem jungen Mann, der mit sechs Jahren nach Libyen verschleppt worden war."
Nach dem Erfahrungsaustausch machen sich die Teilnehmer an die Arbeit: Die Reportagen müssen geschnitten und gemischt werden. Alle sind sehr konzentriert. Die Trainer gehen von Tisch zu Tisch, hören sich Ausschnitte an und korrigieren Texte. "Ich bin positiv überrascht von den Reportagen", kommentiert Martin Vogl, Trainer der DW Akademie, die Ergebnisse. "Fast alle Teilnehmer haben gutes Material und interessante Interviews mitgebracht."
Abgehalten wird der Workshop bei IFTIC, der Journalistenschule Nigers und Partner der DW Akademie. Die Schule stellt auch das Radiostudio zur Verfügung, sodass die Sendung unter Live-Bedingungen gefahren werden kann. "Je näher das praktische Arbeiten an der Arbeitsrealität bleibt, umso einfacher können die Teilnehmer die erlernten Techniken später in ihren Arbeitsalltag integrieren", sagt Sandra van Edig, Projektmanagerin der DW Akademie.
Die Reportagen sind nur ein Teil einer Radiosendung zu konfliktsensitiven Themen, die in dem Workshop produziert wird. Im Laufe der zehn Tage in Niamey werden noch weitere Interviews aufgenommen und Studiogäste eingeladen. Zukünftig werden die Partnerradios der DW Akademie einmal im Monat eine Sendung zu konfliktsensitiven Themen produzieren. "Das ist eine Neuheit in Niger und kann zu mehr Toleranz in der Gesellschaft beitragen", erklärt Sandra van Edig.