Mongolei: Mit investigativem Journalismus gegen Missbrauch und Korruption | Asien | DW | 22.09.2017
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Asien

Mongolei: Mit investigativem Journalismus gegen Missbrauch und Korruption

In der Mongolei grassiert die Korruption, es gibt viel zu tun für investigative Journalisten. Zusammen mit internationalen Experten trainiert die DW Akademie mongolische Medienmacher in investigativer Recherche.

„Das größte Problem bei der Recherche war die Sicherheit der Kinder. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass die Kinder nach den Interviews unter Druck gesetzt werden. Seit der Veröffentlichung der Missstände stehe ich deshalb in Kontakt mit der Schule und mit ihnen.“

In ihrer Fernsehreportage „Silent Screaming“ deckt die TV-Journalistin Bolortuya Uuganbayar langjährigen Missbrauch durch Lehrer einer Schule für taubstumme Kinder auf. Außerdem nimmt sie das Thema Korruption in den Blick: Innerhalb einer mit der Untersuchung des Falls beauftragten Kommission des Bildungsministeriums kam es zu Unregelmäßigkeiten. 

Für ihre präzisen und mutigen Recherchen verlieh ihr eine Experten-Jury aus Lehrkräften des Press Institute of Mongolia (PIM) und der DW Akademie-Experten Mark Lee Hunter und Marcus Lindemann nun den Preis für die beste investigative Reportage der Mongolei 2017. 
„Die Reportage zeigt klar und in herzzerreißender Genauigkeit das Leid der Schüler. Alle Vorwürfe der Reportage wurden durch verschiedene Quellen gestützt, durch Dokumente und persönliche Aussagen,“ so Mark Lee Hunter, Mitbegründer des Global Investigative Journalism Network (GIJN). Beschuldigte Personen im Blickpunkt der Recherchen hätten zudem Gelegenheit bekommen, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. 

Zwei Reportagen teilten sich den zweiten Platz. Hunter lobte den Beitrag der Journalistin Battsetseg Batzorig: „Die Reportage über sexuellen Missbrauch in mongolischen Familien bleibt nah an den Opfern und zeigt ihre Welt.“ Die Autorin bricht damit ein Tabuthema in der Mongolei. Weiter wurde ein Journalistenkollektiv für eine Reportage über ein Schneeballsystem ausgezeichnet, in das mehrere Regierungsbeamte verwickelt sind. Die Jury lobte die Klarheit der Darstellung und die Genauigkeit, mit der die Journalisten ihr Vorgehen dokumentierte.

DW Akademie setzt investigative Recherche auf die Agenda

Mongolei, das Standardwerk Recherche von Prof. Michael Haller wurde erstmals ins Mongolische übertragen

Das Standardwerk "Recherche" von Prof. Michael Haller wurde erstmals ins Mongolische übertragen

Verliehen wurde die Auszeichnung im Rahmen der ersten internationalen Konferenz zum Thema Investigativer Journalismus in der Mongolei, veranstaltet im September in Ulan Bator vom PIM mit Unterstützung der DW Akademie und Mongol TV. Rund 150 Medienschaffende aus der Mongolei, aber auch Journalistinnen und Journalisten aus investigativen Netzwerken aus Korea, Japan, Indonesien, Deutschland und den USA nahmen Teil und diskutierten über die Herausforderungen für investigativen Journalismus und Möglichkeiten grenzüberschreitender Recherchen. 

Rund um die Konferenz gaben mongolische Lehrende des PIM in Ulan Bator zum ersten Mal eine dreiwöchige Fortbildung für „Investigativen Journalismus“, 18 Journalistinnen und Journalisten aus dem ganzen Land nahmen teil. Grundlage ist ein Curriculum, das gemeinsam von Prof. Michael Haller (Schwerpunkt Recherche), Mark Lee Hunter (Schwerpunkt Investigative Recherche) und Marcus Lindemann (Schwerpunkt Online Recherche) im Auftrag der DW Akademie mit mongolischen Lehrkräften entwickelt wurde. 

„Viel Potential für investigativen Journalismus“

Es gibt viel Stoff für kritische Berichterstattung in der Mongolei: Korruption, Misswirtschaft, Ausbeutung der Rohstoffe, Umweltskandale, Steuerbetrug – Themen, zu denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung recherchieren. Die Mongolei liegt auf Platz 87 von 176 des Korruptionsindex von Transparency International. Dementsprechend wichtig ist die Arbeit von investigativen Journalistinnen und Journalisten, betont auch Marcus Lindemann, DW Akademie Trainer und Hochschuldozent für Recherche mit Schwerpunkt Online-Recherche: „Die prämierten Reportagen zeigen deutlich, dass Journalisten in der Mongolei den Mut haben, über kritische und sensible Themen zu berichten. Sie investieren viel Zeit und einen großen Aufwand für die Recherchen. Das ist ein sehr guter Start für den Wettbewerb und zeigt, dass es sehr viel Potential für investigativen Journalismus in der Mongolei gibt“. 

Mark Lee Hunter Mongolei

Mark Lee Hunter mit Trainerinnen und Trainern

Politische Verflechtungen und Intransparenz

Die Zahl der investigativen Journalisten und Journalistinnen wächst in der Mongolei. Doch gleichzeitig ist Korruption im Mediensektor ein großes Problem. Verflechtungen zwischen Politik, Unternehmen und Medien stehen kritischen Recherchen oft im Wege, Abhängigkeiten hindern Journalisten daran, neutral zu bleiben und führen oft zu Selbstzensur. Im Press Freedom Index 2017 belegt die Mongolei Platz 69 von 186. „Wie können Journalisten und Medien den Mächtigen auf die Finger schauen, wenn genau diese Menschen die Medien besitzen und finanzieren?“, fragt Munkhmandakh Myagmar, Direktorin des PIM, das seit 2016 Teil des Global Investigative Journalism Network (GIJN) ist.

Um kritische Journalistinnen und Journalisten weiter zu unterstützen, will das PIM die Fortbildung regelmäßig anbieten, ebenso maßgeschneiderte Trainings für Medienhäuser und E-Learning-Module. Damit investigative Recherchen in der Mongolei künftig auch unabhängig publiziert werden können, hat sich das erste unabhängiges Netzwerk für Investigativen Journalismus gegründet, das „Mongolian Centre for Investigative Journalism“ (MCIJ), und eine Online-Plattform für Veröffentlichungen ins Leben gerufen.

Obwohl ihre Fernsehreportage „Silent Screaming" in der Mongolei für Aufsehen gesorgt hat, ist das Bewusstsein für sexuelle Belästigung in der Gesellschaft immer noch sehr niedrig, sagt Preisträgerin Bolortuya Uuganbaya. „Die Klage gegen Missbrauch an der Schule wurde abgewiesen, auch darüber habe ich berichtet. Ich lasse nicht locker und habe weitere Journalisten überzeugt, über die Missstände an dieser Schule zu berichten. Ich werde jetzt auch in den Sozialen Medien darüber schreiben.“

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