Die “Strong News” App in Jordanien

Wie unterscheidet man Nachrichten von Falschinformationen? Zu dieser Frage haben Jugendliche in Jordanien eine App für junge Nutzerinnen und Nutzer entwickelt. Dabei wird kritisches Denken belohnt.

Jordanien Projekt "MIL goes viral" der DW Akademie
Bild: FCPS

Falschinformationen, Gerüchte, unseriöse Quellen: Gerade junge Menschen sind häufig anfällig für gezielte Desinformation – und verbreiten sogar unbewusst falsche Informationen weiter. In den Palästinensischen Gebieten, Guatemalaund Jordanien hat die DW Akademie mit den lokalen Partnerorganisationen PYALARA und Comunicares dieses Problem erkannt, und will bei der Lösung junge Menschen direkt einbinden.

Das Projekt „MIL goes viral“ sucht gemeinsam mit Jugendlichen nach kreativen Wegen, um auf die Gefahren der digitalen Welt aufmerksam zu machen. Das Ergebnis sind drei interaktive Apps, die auf ganz unterschiedliche Weise den Umgang mit Falschinformation und Gerüchten vermitteln. Das Projekt ist Teil der globalen Kriseninitiative "Transparenz und Meinungsfreiheit", finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). 

Jordanien: Von der Idee zum digitalen Spiel 

Wie wird aus der Idee, Media and Information Literacy (MIL) spielerisch zu vermitteln, eine fertige App? Zum Einstieg in das Thema wurden in Jordanien Trainings für junge Leute im Alter von 19 bis 25 Jahren angeboten, um das Verständnis für den Umgang mit Nachrichten und Nachrichtenkonsum zu fördern.  

Hazem Ayasrah, ein Teilnehmer des Projekts, schildert den Prozess: "In Jordanien gibt es ein großes Problem mit Fake News und Desinformation, und es wird zunehmend schlimmer. Hier brauchte es eine Lösung, und eine Idee war, gemeinsam mit uns jungen Leuten etwas Interaktives zu schaffen. Etwas, das Leute motiviert, mitzumachen und zu lernen, wie man zwischen verlässlichen und falschen Informationen unterscheidet", berichtet er.  

Jordanien Projekt "MIL goes viral" der DW Akademie
Hazem Ayasrah: "In Jordanien gibt es ein großes Problem mit Fake News." Bild: privat

"Einige Gruppen haben sich für die Planung von Workshops entschieden, oder Awareness-Kampagnen in den Sozialen Medien. Unsere Gruppe hat beschlossen, dass eine interaktive App mehr Einfluss haben kann."

Im Rahmen der Workshops lernten die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie anhand der fünf W-Fragen Nachrichten selbst verfassen können und erhielten eine Einführung in das Thema Nachrichtenverifizierung. Bei ihrer Recherche fanden die sie heraus, dass gerade lokale Nachrichten häufig auf falschen oder unzuverlässigen Quellen basierten. Diese Erkenntnis war es, die das Thema für sie greifbarer – und gleichzeitig dringlicher – machte.  

Als Grundlage entschied sich die Gruppe für ein einfaches und dynamisches Spielkonzept, das auf verständliche Weise zeigt, wie man falsche von verlässlichen Informationen unterscheidet. "Die Spielerinnen und Spieler sollen diese Fähigkeiten lernen, damit sie sie anschließend im Alltag selbst anwenden können, egal, ob sie in den Sozialen Medien unterwegs sind oder gerade die Zeitung lesen", erklärt Teilnehmer Hazem.  

Bei der Auswahl und Aufbereitung der Nachrichten erhielten die jungen Entwicklerinnen und Entwickler Unterstützung von zwei erfahrenen Journalistinnen und Journalisten. Außerdem wurden sie von MIL-Expertinnen und -Experten und Medientrainerinnen und -trainern beraten. Gemeinsam wählten sie auch den Namen für die App: "Strong News".   

Worum geht es in der App?

Das Spiel "Strong News" richtet sich an Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren und beschäftigt sich mit dem Thema Desinformation. Ziel ist es, junge Menschen zu schulen, Informationen und Nachrichten zu verifizieren. Dabei fördert die App kritisches Denken und analytische Fähigkeiten.  

Die Handlung spielt in einem fiktiven Medienhaus, und die Spielerinnen und Spieler schlüpfen in die Rolle von Redakteurinnen und Redakteuren, die Nachrichten selbst produzieren und anschließend veröffentlichen.  

Im Spielverlauf erhalten sie Fotos und Informationen in Form kurzer Texte und entscheiden, ob sie diese weiterverbreiten und als Nachrichten veröffentlichen möchten oder nicht. Dazu müssen sie den Inhalt der Texte kritisch bewerten. 

Die Qualität der Veröffentlichungen hat einen direkten Effekt auf den Erfolg des Unternehmens: Werden wiederholt faktisch richtige und verifizierte Informationen verbreitet, verbessert sich auch der Ruf des Medienhauses. Entscheiden sich die Spielerinnen und Spieler hingegen, irreführende Informationen und Falschmeldungen zu verbreiten, leidet die Reputation. Das Feedback erfolgt unmittelbar nach jeder Aufgabe und wird ausführlicher und komplexer, je höher das Level, auf dem sich die Spielerinnen und Spieler bewegen. 

Der Spielerfolg bemisst sich dabei in einem Anstieg bzw. Einbruch der Followerzahlen sowie der Position auf einer Erfolgsskala. Ein hoher Rang auf der Erfolgsskala erlaubt das Vorrücken zum nächsten Level. Die Spielerinnen und Spieler mit den höchsten Followerzahlen, die zudem die meisten Level abgeschlossen haben, erscheinen auf einer Bestenliste. 

Direkter Alltagsbezug macht das Spiel interessant 

Alle Nachrichten, die in der App verwendet werden, basieren auf realen lokalen oder internationalen Ereignissen. So fördert das Spiel grundlegende Fähigkeiten im Bereich Fakt Checking und soll ein Bewusstsein für die Bedeutung verlässlicher Quellen und Qualitätsjournalismus schaffen.  

Bei der Konzeption der Inhalte, so Hazem, profitierten die Jugendlichen von der Diversität der Gruppe: "Wir waren altersmäßig sehr unterschiedlich, ich war der einzige mit einem Schulabschluss, alle anderen gehen noch zur Schule. Auch unsere Interessen waren sehr divers, einige interessierten sich besonders für berühmte Persönlichkeiten, andere für lokalen Sport. So konnten wir inklusiv arbeiten und ein sehr breites Themenspektrum abdecken, das hat sehr geholfen."

Ein eingebautes Admin-Panel im Spiel erlaubt es, Inhalte fortlaufend zu ergänzen und zu aktualisieren. So kann das Spiel auf gesellschaftspolitische Entwicklungen eingehen oder für konkrete Anlässe wie den Einsatz in Workshops angepasst werden.  

Zukünftig soll die Organisation Family and Childhood Protection Society (FCPS), ein langjähriger Partner der DW Akademie im Bereich MIL in Jordanien, die Pflege und Weiterentwicklung der App übernehmen und potentiell weitere Partner aus der Region einbinden.  

Feedback und Verbreitung des Spiels

Bis März 2023 wurde die App (innerhalb des ersten Dreivierteljahres) knapp 700 Mal heruntergeladen. Um zu verstehen, wie das Spiel bei jungen Nutzerinnen und Nutzern ankommt, organisierte die DW Akademie mit der lokalen Projektmanagerin Hanadi Gharaibeh einen Testworkshop. Siebzehn Teilnehmende im Alter von 16 bis 27 kamen dazu im Jugendzentrum Shaddah in Amman zusammen. Ein wichtiges Fazit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: "Wir haben mehr über Nachrichten und kritisches Denken gelernt und werden zukünftig bewusster Nachrichten konsumieren."

Majdoleen Al Khateeb, Präsidentin des Al Wasatiya Youth Centers for Girls, zeigte sich ebenfalls begeistert angesichts der positiven Reaktionen auf das Spiel: "Es gab ein Gefühl von Leidenschaft und Wettbewerb unter den jungen Menschen. Sie stellten sich vor, zukünftig selbst Journalistinnen zu werden und es hat sie dazu inspiriert, eigene Plattformen zu gründen, auf denen sie verifizierte Nachrichten veröffentlichen und gegen Fake News vorgehen."

Jordanien Projekt "MIL goes viral" der DW Akademie
Majdoleen Al Khateeb ist Präsidentin des Al Wasatiya Youth Centers for Girls in Jordanien. Bild: privat

Trotz des ersten Erfolgs der App haben Hazem und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter weitere Pläne: "Anfangs waren wir begeistert, dass unsere Ideen in eine App verwandelt wurden, wir waren stolz auf das, was wir erreicht haben. Aber mit der Zeit wuchs das Gefühl, dass wir noch nicht genug getan haben, um langfristig für Aufmerksamkeit zu sorgen, Menschen aller Altersklassen zu erreichen und dauerhaft für das Thema zu begeistern. Inzwischen haben wir in der Gruppe darüber nachgedacht, wie wir die Idee weiterentwickeln können, zum Beispiel mit dem Einsatz von Robotern, Künstlicher Intelligenz, interaktive Standpanels, die sich an öffentlichen Orten befinden, vielleicht Einkaufszentren, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Die App erfüllt ihren Zweck, aber langfristig wird sie nicht reichen und es braucht weitere Aktivtäten, um ein noch größeres Publikum zu erreichen."

Trotz vieler Ambitionen und Pläne beobachtet Hazem bereits nach der Entwicklung der App eine eigene Verhaltensänderung: "Wir alle haben uns durch die Trainings in Detektive verwandelt. Wenn wir jetzt Nachrichten hören oder sehen, müssen wir sie umgehend überprüfen, wir nehmen nichts mehr als gegeben oder richtig an, sondern untersuchen, verifizieren und versuchen herauszufinden, ob die Informationen korrekt sind."

Die App "Strong News" (in arabischer Sprache) kann kostenfrei im App-Store heruntergeladen werden:

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