Rosa Jalja, Chefredakteurin von "Radio Copacabana" in Bolivien, arbeitet seit Jahrzehnten daran, der indigenen Bevölkerung eine Stimme zu geben. Ihr Sender berichtet auf Aymara, der Sprache ihrer Volksgruppe.
Rosa Jalja im Sendestudio. Die Chefin von "Radio Copacabana" engagiert sich seit 46 Jahren als Journalistin für die Menschen in ihrer Heimat.
Am Ufer des Titicacasees, dem höchsten See der Welt, macht Rosa Jalja seit 46 Jahren Radio. Sie ist Chefredakteurin von "Radio Copacabana", einem der sechs Sender des Radionetzwerks "Aruskipawi", das von Fundación UNIR unterstützt wird. Die DW Akademie begleitet Fundación UNIR bei der Professionalisierung von Journalisten. Ziel ist es, die Bürger zu beteiligen und neue Sendeformate zu schaffen, um ihre Bedürfnisse bekannt zu machen. Rosa Jaljas Radiosender berichtet auf Aymara, der Sprache ihrer Volksgruppe. In dieser lokalen Sprache bedeutet Aruskipawi "Lass' uns miteinander reden".
Im Interview mit der DW Akademie erzählt Rosa Jalja von ihrem Einsatz für die Medienfreiheit.
DW Akademie: Frau Jalja, wie tragen Sie mit Radio Copacabana zur Medienfreiheit bei?
Rosa Jalja: Als ich 17 Jahre alt war, begann ich bei Radio San Gabriel zu arbeiten, das sich auf Aymara an Bauern richtete und die Bürger mit einbezog. Das ist jetzt 46 Jahre her. Das Wichtigste ist auch heute noch, dass wir in der Aymara-Sprache senden. Es gibt immer noch Mitbürger, die weder lesen noch schreiben können. Für sie ist das Radio die wichtigste Informationsquelle.
Was bedeutet Pressefreiheit für Sie?
Es darf keine Vorurteile geben. Wir als Aymara-Journalisten stehen auf der Seite des Zuhörers, der Bevölkerung. Dank Fundación UNIR haben wir gelernt, dass Journalisten in Sicherheit berichten können müssen. Das ist Freiheit. Sie müssen ihre eigenen Überzeugungen haben und über die vollständige Wahrheit berichten. Pressefreiheit heißt für mich, dass der Journalist seine Informationen frei weitergeben kann.
Wie sieht denn Ihre Arbeit konkret aus?
Auf Radio Copacabana sind 60 Prozent der Sendungen Informationen und Nachrichten. Für die 18.000 Einwohner von Copacabana berichten wir oft direkt aus dem Rathaus. Darüber hinaus bieten wir in Zusammenarbeit mit der Fundación UNIR Ausbildungsprogramme für Nachwuchsjournalisten aus ländlichen Gemeinden an. Außerdem möchten wir mehr Frauen in gehobene Positionen bringen. So haben wir zum Beispiel 32 Frauen darin geschult, wie man mit der Kamera arbeitet und Drehbücher schreibt. Jetzt arbeiten sie in den großen Medien in der Hauptstadt La Paz. Es ist auch die Aufgabe eines Journalisten, für die Gleichberechtigung von Frauen zu kämpfen.
Was inspiriert Sie am meisten?
Meine Inspiration ist es, dem Publikum zu dienen. Menschen ohne Radio leben nicht. Mit dem Radio erreichen wir die Menschen auf den Bauernhöfen, in den Büros, den Häusern, den Geschäften. Deshalb bieten wir unsere Programme in Aymara und Spanisch an. Gerechtigkeit zu schaffen, inspiriert mich. Vor allem bis Anfang der 1980er Jahre gab es eine Menge Ungerechtigkeit gegenüber der indigenen Bevölkerung seitens des Militärstaates, zudem mehrere Staatsstreiche und wechselnde Regierungen. Diese dunklen Kapitel unserer Geschichte haben mich besonders motiviert, die Menschen zu informieren. Niemand berichtete damals, wie viele Tote es gab und wie viele Menschen inhaftiert wurden. Jetzt hat sich das geändert, das Radio ist ein Gemeinschaftsradio und wir arbeiten jetzt frei.
Welche Geschichte hat Sie am meisten geprägt?
Die Befragung der Opfer in den 1980er-Jahren während des Staatsstreiches. Die Toten, die Verwundeten, die Vermissten waren Bauern. Ich musste darüber berichten, wie die Verwandten kamen, um einige der Toten abzuholen. Ich werde das nie vergessen.
Rodrigo Villarzú, Leiter der Abteilung Lateinamerika in der DW Akademie, zu Besuch bei Rosa Jalja in ihrem Radiostudio.
Und was ist eine besonders schöne Erinnerung?
Die Öffentlichen Dialoge, die wir gemeinsam mit Fundación UNIR veranstaltet haben, etwa über Jugendrechte oder die Wasserversorgung. Es ging um Dialogveranstaltungen, die eine öffentliche Debatte ermöglichten und live im Radio übertragen wurden. Die Forderung war, dass Copacabana Trinkwasser haben muss. Wir haben die zuständigen Politiker für das Thema sensibilisiert und jetzt soll es ab September 2018 in allen Häusern fließendes Wasser geben. Das motiviert uns: Als Radiosender bewegen wir die Behörden und erreichen unser Ziel, indem wir berichten.
Was planen Sie für die Zukunft?
Ich bilde mich weiter und war auch im Ausland. Jetzt will ich einen Film über eine indigene Bäuerin machen. Ich würde gerne in neue Formate einsteigen. Ich bin über 60 und immer noch stark.