Im nächsten Jahr stehen Wahlen in Kolumbien an, die Gesellschaft ist stark gespalten. In Bogotá diskutierten kolumbianische und deutsche Journalisten über die Rolle der Medien, drei Kandidaten stellten sich ihren Fragen.
Humberto de la Calle, unabhängiger kolumbianischer Präsidentschaftskandidat, stellte sich beim Mediendialog der DW Akademie den Fragen der Journalisten
Juanita León, Journalistin von La Silla Vacía, hat eine klare Forderung an ihre Kolleginnen und Kollegen: „Wir dürfen die Zusammenhänge nicht länger vereinfachen. Genau das führt zur Polarisierung. Der Journalismus von heute muss die Dinge in ihrer ganzen Komplexität darstellen!“
Juan Diego Restrepo von Verdad Abierta, einem Online-Portal, das sich der Berichterstattung über Paramilitärs und Guerilla in Kolumbien widmet, ergänzt: „Wir haben immer gesagt, die beste Nachricht für Kolumbien wird der Frieden. Und dann kam der Frieden, aber wir waren nicht darauf vorbereitet. Es scheint, als würde uns die schiere Menge an Information bremsen, als hätten wir Angst, über den Frieden zu berichten.“
Sechs kolumbianische und sechs deutsche Journalistinnen und Journalisten diskutierten im September über politische Polarisierung in den Medien und Gefahren für Meinungsbildungsprozesse durch falsche oder manipulierte Informationen rund um Wahlen. Sie stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Kolumbien wählt im Mai 2018 einen neuen Präsidenten, die Bundestagswahl in Deutschland steht unmittelbar bevor.
Ein weiterer Fokus lag neben der Umsetzung des Friedensabkommens auf der Korruption, die in Kolumbien inzwischen derart besorgniserregende Ausmaße angenommen hat, dass nahezu das gesamte politische System ins Wanken gerät.
Friedensprozess in Kolumbien: Chance und Herausforderung zugleich
Drei Präsidentschaftskandidaten stellten sich in einem vertraulichen Gespräch den Fragen der Journalisten: Gustavo Petro, ehemaliges Mitglied der Guerilla-Organisation Movimiento 19 de Abril (M-19) und von 2012 bis 2016 Bürgermeister von Bogotá, tritt als Kandidat der Partei Colombia Humana an; sowie Rafael Nieto, Kandidat der rechtskonservativen Partei Centro Democrático des ehemaligen Staatspräsidenten Álvaro Uribe.
Humberto de la Calle war Verhandlungsführer bei den Friedensgesprächen mit der FARC. 2018 tritt er als unabhängiger Kandidat an. „Das Ende des Krieges ist eine großartige Möglichkeit für Stabilität, ist aber auch eine Herausforderung für die gesamte kolumbianische Gesellschaft“, so de la Calle.
In den Gesprächen zeigt sich deutlich: Die Positionen von Gegnern und Befürwortern des von Präsident Santos erreichten Friedensabkommens sind nach wie vor unvereinbar. Das gilt auch für die Wahrnehmung von außen: „Ich sehe eine große Diskrepanz zwischen dem sehr positiven Bild vom Friedensprozess, das im Ausland existiert, und dem Pessimismus der Kolumbianer“, so Jens Glüsing, Lateinamerika-Korrespondent des SPIEGEL.
Die Begegnung von deutschen Lateinamerika-Korrespondenten und Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Regionen Kolumbiens war für beide Seiten eine einmalige Gelegenheit zum Gedankenaustausch. „Gerne mehr davon“, war ein mehrfach geäußerter Kommentar. Und: „Das nächste Mal in Berlin!“
Der Mediendialog „Politische Polarisation, Medien und die Präsidentschaftswahlen 2018 – eine Gefahr für den Frieden?“ fand vom 10. bis 14. September in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá statt und wurde von der DW Akademie und ihrer Partnerorganisation Consejo de Redacción mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes organisiert.