Viel wird derzeit über Kubas politische Öffnung gesprochen. Doch wie sieht dieser Wandel für Kubas Medienmacher aus? Auf Einladung der DW Akademie und ARD diskutierten Medienexperten im ARD-Hauptstadtstudio.
Von links: Matthias Reiche, Rosa Muñoz Lima, Pablo Díaz Espi, Bert Hoffmann, Bernd Pickert und Francis Sánchez
Bedeutet der Wandel Kubas auch eine Öffnung für die Medien? Bert Hoffmann (rechts) und Pablo Díaz Espi
Eine Einschätzung, die der Podiumsteilnehmer Francis Sánchez nicht teilt. Denn wenn der kubanische Journalist und Schriftsteller auf die neuen Freiheiten in seinem Land angesprochen wird, dann reagiert der Gründer des unabhängigen Online-Magazins Árbol Invertido zurückhaltend. Mit Blick auf die staatlichen Massenmedien sagt er: "In den Medien spürt man den Wandel nicht." Und das habe Gründe, denn der kubanische Staat investiere derzeit viel, um das Bild des Landes vor allem im Ausland vorteilhaft darzustellen. Im Inneren dagegen gebe es nach wie vor Repressionen gegen unabhängige Medien - oft subtil angewandt, so Sánchez. So sei der Zugang zum Internet für Journalisten der Staatsmedien gratis, während er persönlich hohe Geldsummen dafür investieren müsse. Über fünf US-Dollar koste ihn eine Stunde Internetzugang, so Sánchez. Ein durchschnittlicher Monatslohn liege in Kuba derzeit oft bei wenig mehr als 20 US-Dollar. Medienfreiheit in Kuba, das ist für Francis Sánchez bislang also noch die Freiheit der Anderen. "Es gibt weiter rote Linien, die man nicht überschreiten darf, gerade wenn es um den Machterhalt der Regierung geht."
"Innerhalb der staatlichen Medien Kubas gibt es eine Menge Bewegung", sagte Bernd Pickert, Lateinamerika-Experte von der Tageszeitung taz. So sei es heute durchaus möglich, dass auch Journalisten staatlicher Medien sich bei Medientrainings im Ausland fortbilden könnten. Ein absolutes Novum, und eine große Chance, so Pickert. Zudem gebe es inzwischen viele informelle Wege, wie Informationen ausgetauscht werden könnten. Manchmal auch dadurch, dass Inhalte von in Kuba selbst gesperrter Webseiten und Blogs in ausländischen Medien aufgegriffen werden - und dadurch auch für ein kubanisches Publikum wieder sichtbar würden. Kuba-Experte Bert Hoffmann, Politik-Professor am Hamburger GIGA-Institut, fügte hinzu: Gerade im Online-Bereich würde inzwischen sehr viel von der Staatsführung toleriert. "Das heißt, die klassischen Massenmedien wie Radio, Fernsehen und Zeitungen unterliegen viel engerer Kontrolle als ein Blog oder eine Mailingliste."
Rosa Muñoz Lima (links), eine kubanisch-deutsche Journalistin bei der Deutschen Welle, und Pablo Díaz Espi, ein in Madrid lebender kubanischer Journalist
Internet ohne Internet
Pablo Díaz Espi, ein in Madrid lebender kubanischer Journalist und Herausgeber der Online-Zeitung Diario de Cuba, hat das System der Mailinglisten perfektioniert. Er setzt dabei auf ein Massenmedium, das es so nur in Kuba gebe: ein Datennetz, vom WorldWideWeb abgeschnitten, was es einem Nutzer erlaubt, innerhalb Kubas Emails zu verschicken. Das Kuba-interne Datennetz, was ursprünglich zur Kommunikation innerhalb des Gesundheitssektors geschaffen wurde, wird oft auch "Intranet" genannt. Und es ist für viele ein Massenmedium, aus Mangel an Alternativen. So besitzen viele Kubaner eine Email-Adresse, nicht aber über einen echten Internetzugang. Das erfordert kreative Lösungen, um zu kommunizieren. "Zwei Mal die Woche schicken wir im Intranet alle unsere Veröffentlichungen als Newsletter an 12.000 Email-Adressen", erklärt Pablo Díaz Espi sein Konzept. Das habe eine große Wirkung, sagt er, was auch daran abzulesen sei, wie sensibel und aufmerksam der kubanische Staat das Angebot verfolge.
Rosa Muñoz Lima, kubanisch-deutsche Journalistin bei der Deutsche Welle, sieht in den neuen Medien - ebenso wie im kubanischen Sonderphänomen Intranet - eine große Chance für mehr Medien- und Pressefreiheit. Nach wie vor habe sich an der Dominanz klassischer Massenmedien im Land aber nichts geändert, gibt sie zu bedenken. "Das Fernsehen ist noch immer das Hauptmedium", sagt Rosa Muñoz Lima. Das liege vor allem an der schlechten Verfügbarkeit des Internets. Der Zugang zum Netz ist nämlich nicht nur teuer: Die Geschwindigkeit beim Surfen sei atemberaubend langsam – und die Verfügbarkeit von Computer-Hardware alles andere als gesichert, so Muñoz Lima.
"Die Journalistenausbildung ist weiter als gedacht"
Der kubanische Blogger Francis Sánchez (rechts) erlebt eine Zwei-Klassengesellschaft beim Zugang zum Internet. Für ihn ist der Zugang zum Netz oft verbaut
Schlechte Voraussetzungen für eine neue Generation kubanischer Journalisten? Rosa Muñoz Lima, die vor ihrer Arbeit bei der Deutschen Welle auch für kubanische Staatsmedien gearbeitet hat, sieht die Journalisten vor Ort besser gerüstet als gedacht. "Ich glaube, die Ausbildung der kubanischen Journalisten ist schon jetzt deutlich weiter als es die Realität im Land eigentlich zulässt." Eine Einschätzung, die Lateinamerika-Experte Bernd Pickert von der taz teilt. Er glaubt, dass jetzt vor allem der Austausch mit internationalen Kollegen wichtig sei. Auch deshalb empfängt er im Rahmen eines Workshops im September zehn kubanische Journalisten aus privaten wie staatlichen Medien in Deutschland. Ein Medienentwicklungsprojekt, das neue Maßstäbe setzt. Aber auch ein Projekt, das noch seine Grenzen hat, so Pickert: "Es wäre für uns viel schwerer geworden, dieses Journalistentraining direkt auf Kuba zu machen."
Alte Repressionen halten an
Kubas Wandel trifft auf Interesse: Zahlreiche Gäste aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft verfolgten die Debatte
Noch sind die Nischen der medialen Freiheit in Kuba also kleiner, als viele es im Ausland erhoffen würden. Das war eine der zentralen Botschaften, die zahlreiche Besucher der Veranstaltung in einer lebendigen Debatte mit ihren persönlichen Eindrücken ergänzten. Ein Vertreter der Organisation Reporter ohne Grenzen warf ein, dass trotz neuer Spielräume auch alte Repressionen weiter Bestand hätten. "Es gibt mindestens zwei Journalisten und einen Blogger, die derzeit mit langjährigen Haftstrafen in kubanischen Gefängnissen sitzen und dort leiden." Und auch Pablo Díaz Espi rief in Erinnerung, dass zahlreiche Paragrafen in der kubanischen Verfassung noch heute willkürliche Haftstrafen gegen missliebige Journalisten erlaubten. "Und genau hier sieht es nicht so aus, als ob die kommunistische Partei bereit wäre, das zu ändern", so Díaz Espi. Online-Journalist Francis Sánchez warnte zum Ende der Veranstaltung deshalb vor zu viel Euphorie: "In Kuba wird das, was in der Arabischen Welt passiert ist, so nicht geschehen."