Internet Governance Forum: Eindrücke aus Brasilien | Regionen | DW | 07.12.2015
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Regionen

Internet Governance Forum: Eindrücke aus Brasilien

Bei der zehnten Jahrestagung des "Internet Governance Forum" wurde viel über Menschen- und Bürgerrechte diskutiert. Eine Teilnehmerin berichtet von ihren Erfahrungen.

Ein Workshop beim Internet Governance Forum in Brasilien, Teilnehmer sitzen gegenüber Foto: DW/Leidel

Teambuilding in Brasilien: Internet-Experten aus Kenia, Malawi, Simbabwe, Sambia, Uganda, Äthiopien, Ghana und Südafrika

Ich habe mich sehr privilegiert gefühlt, als ich mit Unterstützung der DW Akademie sowie dem iRights.Lab am 10. Internet Governance Forum (IGF) in Brasilien teilnehmen konnte. Für mich war das ein wertvolles Erlebnis, nicht zuletzt, weil jeder von uns Teilnehmern auch die Möglichkeit hatte, sich in einem der sehr hilfreichen Vorbereitungs-Workshops für die Konferenz einzuschreiben. Dank dieser Veranstaltungen konnten wir uns in die Schlüsselthemen der Konferenz einarbeiten - in einer sehr entspannten, ruhigen und trotzdem energiegeladenen Atmosphäre.

Die meisten von uns hatten bisher nur wenig Erfahrungen mit Internet Governance sammeln können. Auch deshalb war die Vorbereitung wichtig - um für die Konferenz über Hintergrundwissen und Selbstvertrauen zu verfügen, die Entwicklungen zu verstehen und aktiv an ihnen teilhaben zu können.

Ich spreche davon, dass es ein privilegiertes Erlebnis war, weil ich zuvor davon gehört hatte, wie stressig so ein IGF sein kann und ich hatte Artikel darüber gelesen, die mehr oder weniger beschrieben haben, wie man aus solch einem Event auch rausgehen kann, ohne viel mitbekommen zu haben, weil es einfach zu viel Input auf einmal gegeben hat.

Von den Möglichkeiten verwöhnt

Kein Wunder, dass ich öfters mal so eine massive FOMO-Angst bekomme (Anm. d. Redaktion: Fear of missing out, zu deutsch: Angst, etwas zu verpassen), wann immer ich an Konferenzen teilnehme, an denen es gleichzeitig mehrere Programmpunkte gibt. Es hat sehr geholfen, das DW Akademie-Team an meiner Seite zu haben, die mit uns gemeinsam das IGF Programm durchforstet haben und Vorschläge machten, wo sich eine Teilnahme lohnt. Als erstmalige Teilnehmerin am IGF war es gut, einen direkten Zugang zu einigen der Keynote-Rednern der Veranstaltung zu bekommen, bevor die Hektik wieder überhand gewann.

Inspirierende Interaktion

Eine Einführung in das Thema Internet Governance bekamen wir von APC-Direktorin Anriette Esterhuysen. Sie gab Empfehlungen, auf welche Aspekte man sich fokussieren sollte. Inspirierend fand ich auch ein Gespräch zwischen den Kontinenten rund um das Thema Meinungsfreiheit. Als befreiend empfand ich, dass hier auf übliche Power-Point-Präsentationen verzichtet wurde. Stattdessen stand eine engagierte Debatte im Vordergrund, die die Gefahren, aber auch die Chancen durch die Medien- und Meinungsfreiheit in den verschiedenen Kontexten in den Blick nahm.

Neun Internet-Experten aus Afrika – eingeladen von der DW Akademie und von iRights.Lab Foto: DW/Leidel

Neun Internet-Experten aus Afrika – eingeladen von der DW Akademie und von iRights.Lab

In einer weiteren sehr inspirierenden Gruppendiskussion stellte Rebecca McKinnon, dar, wie sich ihre Organisation sich für digitale Rechte einsetzt. Eine Organisation, die auswertet, wie die Programme, Visionen und Engagement der weltweit mächtigsten Internet- und Kommunikations-Konzerne die Meinungsfreiheit und den Datenschutz einzelner Nutzer beeinflussen.

Meine Kollegen und ich klatschten uns die Hände ab, als wir darüber nachdachten, wie die digitalen Rechte in Afrika mit Leben gefüllt werden könnten. Wir kamen zum Schluss, dass unser Denkmodell auch dazu benutzt werden könnte, die lokalen Internet-Provider vor unserer Haustüre zu bewerten – mit oder ohne ihre Kooperation!

Ich habe mich dann ein bisschen in Helani Galpaya verliebt, für ihre störrische und gleichsam kraftvolle Verteidigung der Netzneutralität und hatte in Windeseile selbst eine Frage auf meinen Lippen: Besteht nicht die Gefahr, dass wir die Gans umbringen, bevor wir wirklich wissen, ob sie nicht doch goldene Eier ausbrüten könnte?

Ich ging aus ihrer Session heraus, mit der Überzeugung, dass überhaupt Zugang zum Netz zu haben schon einmal besser ist als gar keinen Zugang zu besitzen. Nach dem IGF konkretisierte sich diese Haltung bei mir, in dem ich jetzt sage: wie wichtig Netzneutralität ist, muss man im Einzelfall entscheiden.

Networking wurde großgeschrieben

Registrierung beim Internet Governance Forums in Brasilien Internet Governance Forum Brasilien DW Akademie iRights.Lab

Schlange stehen für die Registrierung

Wir haben uns wirklich zurückgehalten dabei, mit Jargon-Worthülsen auf die besonders wichtigen Gäste der Konferenz loszugehen. Aber es gab natürlich die Versuchung, beispielsweise den ersten UN Special Rapporteur für Datenschutz, Joe Cannataci, mit solchen Worthülsen aufzuziehen, als er Anekdoten seiner Kenia-Expeditionen zum Besten gab.

Es war wirklich erstaunlich herauszufinden, wie einem eine solche Konferenz den Raum bietet, auf Du und Du mit hochrangigen Repräsentanten zu agieren. Menschen, zu denen man im Normalfall nicht so einfach Zugang bekommen würde. Da es keine abgeschlossenen VIP-Räumlichkeiten gab, konnt es passieren, dass man einfach mal so beim Anstehen für einen Tee hinter dem Direktor des Internet- und Informationsministeriums des eigenen Landes anstand. In diesem Sinne machte uns diese Veranstaltung alle zu gleichwertigen Konferenzteilnehmern.

Daher fühlte es sich auch so an, als ob man Teil einer Gruppe ist. Es gab immer Leute, mit denen man beim Mittagessen abhängen, mit denen man gemeinsam Beobachtungen teilen konnte, oder gemeinsam über die Regel lachen, dass kein Toilettenpapier in den Toiletten erlaubt sei.

Feedback sammeln

Natasha Msonza, Managerin der NGO 'Her Zimbabwe' Foto: DW / Leidel

Natasha Msonza, Managerin der NGO 'Her Zimbabwe'

Am Ende des Tages gab es jeweils gute Tageszusammenfassungen, bei denen wir Feedback geben konnten. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Beobachtungen geteilt, die wir in den verschiedenen Sessions gemacht hatten.

Was mir hier besonders gut gefallen hat, dass wir mehr oder weniger alle feststellten, dass die unterschiedlichen Sessions so mit Programmpunkten und Rednern überhäuft waren, dass nach dem letzten Redner auch die jeweilige Session zu Ende war. Für Diskussionen mit dem Publikum blieb da kaum bis keine Zeit.

Mir selbst ist das nicht untergekommen, aber einige meiner Kollegen erzählten, dass sie sich in Veranstaltungen wiederfanden, bei denen es mehr Panelisten als Zuschauer gab!

Ein anderer Blick auf Afrika

Unsere letzte gemeinsame Gruppendiskussion am Ende des IGFs war für mich von unschätzbarem Wert, weil wir gemeinsam bestimmten, was für uns die wichtigsten Punkte beim Thema Internet Governance aus afrikanischer Perspektive sind. Wir kamen zwar zu dem Schluss, dass wir diese Übung am besten vor dem IGF gemacht hätten. Aber, nun gut.

Unter den Prioritäten, die wir für unseren Kontinent identifizieren konnten, waren Dinge wie der universelle Zugang zu Informationen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Aus- und Weiterbildung, Datenschutz sowie Cybersicherheit.

Bevor wir dann dem Strand der Paraiba Beach und den Caipirinhas Tschüss sagen mussten, stellten wir aber noch gemeinsam fest, dass es sehr hilfreich sein könnte, wenn wir jeweils in unserem eigenen Umfeld den Internet Governance Prozess verfolgen würden. Dabei sollten wir uns auch darüber austauschen, wie wir Einfluss auf die Prozesse auf unserem Kontinent nehmen können.


Natasha Msonza ist Geschäftsführerin bei Her Zimbabwe, einer Nichtregierungsorganisation, die mit sozialen Medien Frauenthemen auf die Agenda setzt und die mit digitalen Werkzeugen die Frauenrechtsbewegung aktiv unterstützt. Seit acht Jahren ist sie im Bereich von Kommunikations- und Informations-Management beschäftigt. Zuvor engagierte sich Natasha als Menschenrechtsaktivistin und Freiwillige im Bereich von Datenschutz-Trainings. Sie arbeitete mit einem kleinen Netzwerk von Datenschutz-Aktivisten zusammen, die Menschenrechtsaktivisten in Zimbabwe Training und Unterstützung beim Schutz ihrer Daten zukommen ließen. Sie war eine von neun Teilnehmern, die mit Unterstützung der DW Akademie am UN IGF 2015 teilnehmen konnte.

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