In Georgien unterstützt die DW Akademie das Online-Portal "mtisambebi.ge". Bürgerjournalisten veröffentlichen hier ihre Geschichten – auch aus entlegenen Regionen, die sonst von der Presse kaum beachtet werden.
Unterwegs in Chewsuretien, im Nordosten Georgiens an der Grenze zu Tschetschenien: Das erste Ziel von Redaktionsleiter Gela und Redakteur Giorgi im Dörfchen Shatili ist die Schule. In einem kleinen Schieferhaus befindet sich das "Internat": Ein Öfchen dient als Heizung, darauf köchelt das Abendessen.
Es gibt nur eine Handvoll Schüler, sieben davon verbringen hier den gesamten Winter. Knapp einen Euro darf die Köchin für deren Verpflegung pro Tag aufwänden. Die Leiterin zuckt mit den Schultern. "Wir versuchen, über die Runden zu kommen." Denn was wäre die Alternative? "Manche Familien wohnen 20 km von hier; bei vier Meter hohem Schnee nicht zu schaffen. Wenn wir schließen, müssten die Kinder zuhause bleiben. Hier kann sich keine Familie ein Internat in der Hauptstadt leisten." Wenn Mitte Oktober der erste Schnee fällt, ist die Region oft für sieben bis acht Monate von der Außenwelt abgeschnitten.
Geschichten aus Orten wie Shatili werden auf mtisambebi.ge erzählt: Dank der Online-Plattform erhalten auch Menschen aus entlegenen Regionen eine Stimme. Seit Anfang 2017 unterstützt die DW Akademie das Online-Portal.
Petra Raschkewitz, Ländermanagerin für Georgien, begleitet Redaktionsleiter Gela Mtivlishvili und Redakteur Giorgi auf ihrer Reise in das Dorf Shatili: "Ich bin beeindruckt von dem trotzigen Durchhaltewillen der Chewsuren. Vor allem aber von den Bürgerjournalisten bei mtisambebi.ge, die wissen, dass sie gebraucht werden und mit ihrer Arbeit etwas bewegen können."
Gerade einmal 48 Menschen leben dauerhaft in Shatili. Im Winter werden es mehr, wenn die Menschen aus den Bergen ihre Höfe verlassen und ins Tal hinunterziehen. Manchmal funktioniert die Stromversorgung in in Shatili. Es gibt einen Arzt und eine Schule.
Noch vor Ort mobilisieren Gela und Georgi eine Crowdfunding-Kampagne für die Schule auf mtisambebi.ge. In zwei Wochen werden sie ein letztes Mal vor Wintereinbruch herfahren und Lebensmittel, Medikamente, Unterrichtsmaterial mitbringen. Die elfjährige Keto weiß ganz genau, was sie sich dann wünscht: „Ein Pony!“. Ihre älteren Mitschüler sind bescheidener: "Ein paar Bücher wären schön," sagt der fünfzehnjährige Dato leise. Das eigentliche Schulgebäude sticht als neuer Holzbau hervor. Nach einem Brand finanzierte ein deutscher Tourist den Neubau im Stil einer Almhütte. Ein traditioneller Ofen mit offenem Feuer ist in dem Holzgebäude undenkbar, deshalb erhielt die neue Schule eine Elektroheizung. Leider funktioniert sie im Winter nur selten.
Arzt in Tarnanzug und Turnschuhen
Am zweiten Tag der Reise trifft die Gruppe auf Micha, Dorfarzt und Grenzpatrouille in Personalunion. Die Russische Föderation beginnt nur 400 m weiter oben. Manchmal gebe es Übergriffe; Micha und die anderen Freiwilligen versuchen, an der Grenze Präsenz zu zeigen. Dafür hat Micha von der Regierung ein Satellitentelefon erhalten. Wenn es einen medizinischen Notfall gibt, kann er damit immerhin einen Helikopter anfordern. Aber natürlich nur, wenn man ihn selbst erreichen kann.
Marinas Hof liegt 30 km weiter, auf 2.000 Metern, mitten im Nichts – hier gibt es keine Nachbarn, kein Telefon, keine Anbauflächen. Ein paar magere Hühnchen gackern um ein Flugzeugwrack herum: Ein russischer Helikopter war vor einiger Zeit über georgischem Gebiet abgestürzt. Marina und ihr Mann haben den vorderen Teil geborgen und kurzerhand in einen Hühnerstall umfunktioniert.
Die Familie lebt von der Viehzucht; Käse und Rauchfleisch haben sie durch die Winter gebracht. Aber dann kam Marinas Baby – und sie war mutterseelenallein. Der Mann unterwegs in den Bergen; Micha und sein Satellitentelefon zu weit entfernt. Also brachte Marina ihr Kind ohne Hilfe zur Welt. Die beiden haben überlebt, aber auch sie werden jetzt den Hof verlassen und bis zum Frühjahr zu Verwandten nach Shatili ziehen.
Kurz vor der Rückreise stoppt die Gruppe dort erneut. Denn das Dorf ist – wieder einmal – ohne Stromversorgung. Im Elektrizitätswerk ist kein Mensch zu sehen, die Tür steht offen und ist mit Graffiti besprüht: "Dies ist der Schandfleck von Shatili".
Gela und Giorgi befragen die Nachbarn. Die Provinzialverwaltung lasse die Reparaturen schleifen, der Zuständige wohne in Tbilisi – weit weg von ihren Sorgen. Die Redakteure stellen dazu gleich einen Beitrag online. Noch vor der Rückkehr nach Tbilisi meldet sich der Lokalpolitiker auf Gelas Handy. Warum die schlechte Presse? Er werde sich sofort um die Reparaturen kümmern. Gela verspricht, an der Sache dranzubleiben. Sollte der Politiker sein Wort halten, würden sie auch das auf mtisambebi.ge veröffentlichen.