Jugendliche interessieren sich nur für Mode und Musik? Weit gefehlt! Gibt man ihnen eine Plattform, setzen sie sich für die Belange der Gesellschaft ein. Das zeigt ein Projekt für Bürgerradios der DW Akademie.
Aus dem Lautsprecher eines Laptops ist die Stimme eines jungen Mannes zu hören: "Wir brauchen hier dringend Bremsschwellen", sagt der Jugendliche aus der Gegend von Winneba. "Die Schule liegt direkt an der Straße, die Kinder müssen sie oft überqueren. Und auch unsere freilaufenden Nutztiere sind in Gefahr." Radioreporter sind zu Besuch bei dem Chef der örtlichen Fernstraßenbehörde und spielen ihm O-Töne aus Interviews mit Jugendlichen vor. Der Beamte wiegelt ab: Man habe hier einfach kein Geld für Bremsschwellen, das müsse erst aus der Hauptstadt Accra kommen. Reporter Osumanu Kassum, genannt Shaik, hakt nach, ob die Fernstraßenbehörde nicht dennoch etwas tun könne. Doch der Chef weist alle Verantwortung von sich. Die Autofahrer müssten halt besser aufpassen und sich an die Beschilderung halten, es gebe ja schließlich ein Tempolimit. Shaik gibt nicht auf: Er sei gestern vor Ort gewesen und habe kein Schild gesehen. "Ich gehe hin und schaue es mir an", stottert der Behördenchef, "vielleicht wurden die Schilder gestohlen."
"Dieses Interview ist viel besser als unser übliches Programm bei Radio Breezy", sagt Reporter Shaik nicht ohne Stolz. Der Grund: Für dieses Gespräch habe man vorab sorgfältig recherchiert und sei vor Ort gewesen. Die Produktion des Interviews ist Teil eines von zunächst vier Workshops, den die DW Akademie gemeinsam mit dem Ghana Community Radio Network (GCRN) durchführt. Das Bürgerradio-Netzwerk vereint 18 nicht-kommerzielle Mitgliedssender, die über das ganze Land verteilt sind. Die Trainings zu Radio-Journalismus richten sich an ehrenamtliche Mitarbeiter der Sender bis 30 Jahre. Dabei geht es vor allem darum, den jungen Hörern eine Stimme zu geben: In einem ersten Schritt befragen die Teilnehmer Jugendliche, welche Anliegen und Bedürfnisse ihnen wichtig sind. Anschließend spielen die Reporter Teile dieser Interviews Amtsträgern wie Bürgermeistern oder traditionellen Führern vor, damit sie sich den Sorgen der Jugendlichen annehmen können.
Training auf Augenhöhe
Das Themenspektrum reicht von Bildung und Gesundheit über Arbeitslosigkeit bis hin zu Gleichberechtigung. "Die Leute in Ghana denken, eine Jugendsendung sollte sich mit seichten Themen wie Mode beschäftigen", sagt Kofi Larweh, Ausbildungsleiter des GCRN. "Aber Jugendliche beschäftigen sich genauso wie alle anderen mit den Problemen der Gemeinde, in der sie leben - manchmal sogar intensiver." Larweh leitet die Workshops gemeinsam mit Trainern der DW Akademie. Berührungsängste gebe es dabei nicht. "Obwohl sie erfahrene Journalisten sind, begeben sich die Trainer der DW Akademie buchstäblich auf Augenhöhe mit den jungen Freiwilligen unserer Bürgersender", sagt Ausbildungsleiter Larweh.
Auch die Trainer der DW Akademie sind zufrieden mit der Zusammenarbeit: "Kofi ist ein fantastischer Trainer", sagt Diplom-Journalistin Helene Pawlitzki. "Bei ihm kriegen die Teilnehmer Staatsbürgerkunde, Englischunterricht, Comedyshow, Sprecherziehung und Rhetoriktraining in einem. Und er findet immer eine gute Metapher, um abstraktere Inhalte verständlich zu machen. Ich habe den einen oder anderen Trainer-Trick von ihm aufschnappen können."
Die Auswirkungen der Workshops sind schon jetzt auch außerhalb der Bürgerradios zu sehen. So beschwerten sich Jugendliche in Bolgatanga im Nordosten Ghanas über den Müll, der auf den Straßen verrottete. Ein paar Tage, nachdem die Aufnahmen einem Häuptling vorgespielt worden waren, wurde der Müll beseitigt.
Einsatz für die Bevölkerung
"Die Zielgruppe unserer Projekte ist letzten Endes die Bevölkerung in den Sendegebieten der Bürgerradios", sagt Beate Weides, Ländermanagerin für Ghana bei der DW Akademie. Die Zusammenarbeit mit dem GCRN soll möglichst vertieft werden. Eine Herausforderung ist dabei, angesichts kleiner Werbemärkte und hoher Stromkosten, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der gemeinnützigen Sender sicherzustellen. "Uns ist es wichtig, dass die Bürgerradios auch nach Ende des Projekts weiterhin zwischen der Bevölkerung und den Machthabern vermitteln. Wenn die Produktion gesellschaftlich wertvoller Sendungen vollständig von ausländischen Geldgebern abhinge, wäre das nicht nachhaltig." In Planungsgesprächen soll geklärt werden, ob Beratung im Finanzmanagement die Sender auf stärkere Füße stellen könnte.
Workshop-Teilnehmer wie Shaik haben sich jedenfalls vorgenommen, die neuen Kenntnisse aus den Workshops an ihre ehrenamtlichen Radio-Kollegen weiterzugeben und auch weiterhin die Jugendlichen in ihren Dörfern und Städten nach ihren Bedürfnissen zu befragen. Manch einer hat im Projekt mit der DW Akademie erstmals einen Computer bedient, andere sind persönlich über sich hinaus gewachsen. "Ich bin eine schüchterne Person und habe bisher nicht gern vor Leuten gesprochen", sagt Betty Boateng von Radio Peace in Winneba. "Aber jetzt macht mir das nichts mehr aus. Wenn ich wieder im Sender bin, will ich jeden Tag ein Interview machen."