„Freiheit ist der zentrale Begriff für unsere Arbeit” | Wer wir sind | DW | 08.07.2024
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Wer wir sind

„Freiheit ist der zentrale Begriff für unsere Arbeit”

Carsten von Nahmen, Managing Director, und Natascha Schwanke, Director of Media Development, über die Arbeit der DW Akademie im Spannungsfeld weltweiter Krisen. Ein Interview.

Ukraine-Konflikt | Angriff auf TV-Turm

Im März 2022 wurde der Fernsehturm in Kiew von einer russischen Rakete getroffen.

Kriege, Konflikte, zunehmender Extremismus und autokratische Tendenzen, hinzu kommen Hunger, Migration und Umweltzerstörung. Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Welchen Beitrag können Medien zur Bewältigung dieser Krisen leisten? Und welche Rolle spielt die Medienentwicklung?  

Carsten von Nahmen: Eine entscheidende. Nur informierte Gesellschaften können Krisen und Konflikte überwinden, Armut und Hunger bekämpfen, mit den Folgen des Klimawandels umgehen und Chancengleichheit für Mädchen und Frauen schaffen. Freiheit ist der zentrale Begriff für unsere Arbeit: Freie Medien, freier Zugang zu Informationen, freie Meinungsäußerung. Im Superwahljahr 2024 wird deutlich, wie massiv Desinformation in demokratische Prozesse weltweit eingreift. Das ist spätestens seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine keine theoretische Debatte mehr. 

Russland setzt gezielt auf Desinformation, um Demokratie und Zivilgesellschaft zu schwächen. Und dies keinesfalls nur in Europa: Der Krieg in der Ukraine und seine Konsequenzen überlagern und verschärfen die ohnehin prekäre Situation der Bevölkerung im Globalen Süden. Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Informationskrieg. 

Unsere Projekte wirken in diesem Kontext präventiv: Unabhängige Medien sind unabdingbar, um autokratischen Tendenzen zu begegnen, Ungerechtigkeiten zu benennen und Transparenz und gute Regierungsführung zu stärken. Wenn Bürgerinnen und Bürger Zugang zu verlässlichen Informationen haben, können sie verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Wenn sie ihre Meinungen frei äußern können, entsteht ein offener gesellschaftlicher Diskurs, auch über mögliche Lösungen. 

Ukraine Cherson | Medienunternehmen Vgoru | Team

Sie berichteten aus dem besetzten und später befreiten Cherson: Die ukrainische Journalistin Liza Zharkykh (Mitte) und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Lokalmedium Vgoru, das von der DW Akademie unterstützt wird.

Wie sieht das konkret in der Arbeit vor Ort aus? 

Natascha Schwanke: Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen setzen wir uns weltweit für freie Medien und den ungehinderten Zugang zu Information ein: Wir trainieren ukrainische Lokaljournalistinnen und -journalisten im umkämpften Osten und Süden des Landes, unterstützen Faktencheck-Initiativen in Burkina Faso, helfen beim Aufbau unabhängiger Exilmedien für Myanmar, modernisieren die universitäre Journalismus-Ausbildung in Usbekistan oder kooperieren mit Community-Radios in ländlichen Regionen Lateinamerikas. Mit unseren Partnern vor Ort schaffen wir damit Freiräume für Individuen und gesellschaftliche Gruppen und geben ihnen Zugang zu verlässlichen Informationen. Wir stärken aber auch ihr Selbstbewusstsein und Wissen sowie letztlich die Teilhabe bei der Bewältigung von Konflikten und Krisen in ihren Heimatländern. 

Aber auch die Journalistinnen und Journalisten selbst und ihre Medienhäuser sind von den vielfältigen Krisen betroffen. 

Natascha Schwanke: Richtig. Die vielen Konfliktlagen treffen auf Mediensysteme, die sich bereits in einer prekären Lage befinden. Die Corona-Pandemie hat die Werbeerlöse im Mediensektor dramatisch einbrechen lassen. Wirtschaftskrisen, steigende Energiepreise und eine galoppierende Inflation drohen insbesondere kleineren Medienhäusern endgültig die finanzielle Grundlage zu entziehen. Medienhäuser und Medienschaffende sind gefordert, neue Wege zu gehen – wir unterstützen sie beispielweise bei der Entwicklung tragfähiger Geschäftsmodelle. Neue Formen der Berichterstattung sind nötig, um das Vertrauen der Menschen besonders in lokale Medien zu stärken und Versuchen von Beeinflussung wirksam zu begegnen.  

DW Akademie Frauen von UMA Radio führen Interviews am Titicacasee im Süden Perus

Colmena, ein Projekt der ersten Globalen Kriseninitiative: Yeny Paucar und ihre Mutter Rosa Palomino produzierten in der Testphase der App Radiobeiträge für die Aymara-Gemeinden am Titicacasee in Peru.

Wir haben gelernt, gemeinsam effektive Lösungen zu erarbeiten – und zwar über Kontinente hinweg. Unsere Open-Source-Software Colmena wurde beispielsweise entwickelt, damit Community-Medien auch in Krisenzeiten ihre Zielgruppen mit überlebenswichtigen, verlässlichen Informationen versorgen können. Die App ist ein echter Erfolg, weil sie in einem Süd-Süd-Dialog entstanden ist: 23 Community-Medien und Medienorganisationen aus 13 Ländern Afrikas und Lateinamerikas waren an ihrer Entwicklung beteiligt.  

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft? 

Carsten von Nahmen: Wir sehen, wie wichtig es ist, in der Medienentwicklung neue, globale Allianzen zu schmieden. Wir wollen die Süd-Süd-Kooperationen weiter stärken. Unsere stetige Regionalisierung gewinnt in diesem Zusammenhang weiter an Bedeutung: Wir sind da, wo wir gebraucht werden, wir arbeiten eng mit lokalen Partnern zusammen, wir bringen Expertise ein, wir hören genau hin, wenn es um die spezifischen Bedürfnisse vor Ort geht.  

Burkina Faso | Wahl | FasoCheck

Trotz schwieriger Sicherheitslage verstärkt die DW Akademie ihr Engagement in Burkina Faso und hat im März 2022 ein Büro in Ouagadougou eröffnet. Mit ihrer lokalen Partnerorganisation Fasocheck unterstützt sie den Kampf gegen Desinformation in der Region.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Zukunft ist der digitale Wandel. Die Sozialen Medien haben den globalen Austausch von Informationen und Meinungen revolutioniert. Angesichts des Aufstiegs autoritärer Regime zeigen sich aber auch die negativen Seiten: Digitale Medien werden bewusst genutzt, um Falschinformationen zu verbreiten, unbequeme Meinungen zu ersticken, Polarisierung zu verstärken und den gesellschaftlichen Diskurs zu unterwandern. Hier werden wir unsere Anstrengungen verstärken und Mediennutzerinnen und -nutzer weiter darin schulen, sich auf digitalen Plattformen sicher zu bewegen und Inhalte kritisch zu hinterfragen. Medien und Medienschaffende unterstützen wir bei der Entwicklung neuer, digitaler Geschäftsmodelle. Denn eine starke, pluralistische Medienlandschaft und ein unabhängiger, leistungsfähiger Mediensektor sind der Schlüssel zur Bewältigung der multiplen Krisen unserer Zeit.

 

Carsten von Nahmen

Seit September 2018 leitet Carsten von Nahmen die DW Akademie. Zuvor berichtete er für die DW als Senior Correspondent aus den USA, von 2014 bis 2017 war er Leiter der Hauptabteilung Nachrichten und stellvertretender Chefredakteur. Für die DW Akademie war von Nahmen zuvor bereits viele Jahre aktiv, u.a. als Leiter der Abteilungen Nahost/Nordafrika, Europa/Zentralasien und Afrika. 

 

Natascha Schwanke

Natascha Schwanke ist seit März 2019 Director of Media Development und stellvertretende Leiterin der DW Akademie. Zuvor leitete sie mehrere Jahre die Abteilung Afrika, nachdem sie u.a. als Trainerin, Beraterin und Projektmanagerin für die DW Akademie gearbeitet hatte. Als gelernte Journalistin war Natascha Schwanke als Redakteurin und Autorin für verschiedene namhafte TV- und Radiosender tätig. 

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