Expertengespräch: Kolumbiens Medien - Unterstützer des Friedens? | Start | DW | 23.03.2016
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Expertengespräch: Kolumbiens Medien - Unterstützer des Friedens?

Ein Friedensabkommen zwischen Kolumbiens Regierung und den FARC Rebellen wurde 2015 auf den Weg gebracht. Welche Rolle spielen Kolumbiens Medien bei der Sicherung des Friedens? Einblicke in eine komplexe Gemengelage.

Medien International Kolumbien 3/ 2016

Von Links: Florian Meyer-Hawranek, Nina Ludewig, Matthias Kopp, Christina Mendoza Weber, Moderator Martin Polansky

Der Vertrag wäre ein Meilenstein auf dem Weg zum Frieden. Doch noch steht die Unterzeichnung aus, auch aufgrund von andauernden innenpolitischen Polarisierungen. Sind Kolumbiens Medien willens und in der Lage, den Friedensprozess zu fördern? Und ist ihre Struktur geeignet, den Frieden langfristig zu unterstützen? Bei der Veranstaltung Medien International Kolumbien am 18. März 2016 stellte Moderator Martin Polansky, bis 2015 Leiter des ARD-Hörfunkstudios in Mexiko-Stadt, den Experten pointierte Fragen. Die Diskussion zeigte unterschiedliche Herausforderungen der komplexen Situation auf.

Meinungsgetriebene Berichterstattung

Medien International Kolumbien 3/ 2016

Florian Meyer-Hawranek, Journalist (BR, Deutschlandfunk, Zeit Wissen) und Nina Ludewig, Projektmanagerin Media Ownership Monitor

"Berichterstattung in Kolumbien funktioniert oft anhand von Parteilinien, ohne nachzufragen, wie die Faktenlage ist", sagte der Journalist Florian Meyer-Hawranek (Bayerischer Rundfunk), der im Rahmen eines Stipendiums der Internationalen Journalisten Programme den Redaktionsalltag im führenden "Radio Caracol" für einige Monate miterleben konnte. "Zudem gibt es starke regionale Unterschiede, was den Fortschritt des Friedensprozess betrifft und der Fokus der großen Medien richtet sich auf die Städte."

Kolumbiens Medien zeigten eine starke Tendenz zum Meinungsjournalismus, zudem fehle eine Tradition der kritischen Auseinandersetzung mit den Medien, berichtet Meyer-Hawranek. Kritische oder investigativ arbeitende Journalisten würden oft als "Nestbeschmutzer" eingestuft. Derzeit äußerten sich junge kolumbianische Journalisten zum Friedensprozess in einer Bandbreite von skeptisch bis aufgeschlossen, so Meyer-Hawranek, „sie sehen sich nicht als Fackelträger, viele wollen eigentlich transparente journalistische Arbeit machen“.

"Crime sells"

Matthias Kopp, in Medellín ansässiger Ländermanager für Kolumbien der DW Akademie, bestätigt Mängel in der Berichterstattung und eine stark politische Ausrichtung der führenden privaten Sender, oftmals nach dem Prinzip "crime sells". Die großen elektronischen Medien lieferten ein eher mageres Informationsangebot und keine offene Debatte: "Wenige Medien - darunter besonders Print- und einige Online-Medien – bieten eine journalistisch ausgewogene Berichterstattung - das Problem ist, dass sie nur eine geringe Reichweite haben." Für die Unterstützung des Friedensprozesses sei es aber notwendig, dass diversifizierende Inhalte abgebildet würden.

Auch die Vergangenheitsbewältigung sei eine mediale Aufgabe, so Kopp. "Öffentliche und Bürgermedien müssen gestärkt werden, die Aufarbeitung des Konflikts ist Voraussetzung für den Dialog", betont Kopp. In den ländlichen Gebieten, in denen der Konflikt besonders präsent ist, seien die Arbeitsbedingungen für Journalisten auch aufgrund der Wirtschafts- und der Sicherheitslage eine besondere Herausforderung, so Kopp.

Elite besitzt Medien- und Wirtschaftsunternehmen

Nina Ludewig, die die Medienlandschaft Kolumbiens als Projektmanagerin des Media Ownership Monitors 2015 unter die Lupe nahm, kritisierte die starke Konzentration auf wenige Medienbesitzer: "57 Prozent des Publikums fokussieren auf nur drei Mediengruppen, welche Wirtschaftsinteressen vertreten und einer Meinungsvielfalt entgegenstehen". Kritische Medien erreichten nicht die breite Masse und ein starkes Stadt-Land-Gefälle mit einer geringeren Medienvielfalt auf dem Land wirke zusätzlich der Pluralität entgegen. Bei den digitalen Informationsplattformen hätten ebenfalls die großen Medienanbieter die Nase vorn, "und die haben noch keinen großen Beitrag zum Friedensprozess geleistet", so Ludewig. Internet sei noch immer kein Leitmedium – doch kleinere digitale Medien könnten aufgrund ihrer Dialogfunktion zukünftig eine wichtige Rolle spielen.

Den Frieden als Nachricht positionieren

"Breaking News" und viel Spekulation anstelle von fundierten Analysen kennzeichne die Berichterstattung über die Friedensgespräche, sagte die kolumbianische Journalistin Christina Mendoza Weber, Nachrichtenredakteurin bei DW Lateinamerika. "Der Frieden muss als Nachricht positioniert werden und der Aufarbeitung der Geschichte und den unterschiedlichen Perspektiven des Konflikts muss medialer Raum gegeben werden", fordert sie. Ein neuer Diskurs sei notwendig, angeregt durch Reportagen und Dokumentarfilme. Die Protagonisten des Friedens seien Menschen auf dem Land und ihnen müssten auch nationale Medien eine Stimme geben, so Mendoza Weber. Zusätzlich müsse die wirtschaftliche Entwicklung kleiner Medien auf dem Land gestärkt werden.

Kritische Sicherheitslage

Medien International Kolumbien 3/ 2016 Expertin

Christina Mendoza Weber (DW)

Kritisch bewerteten die Panelisten auch die Sicherheitslage für Medien und Medienschaffende. Korruption sei nichts Außergewöhnliches und Netzwerke von Akteuren bedrohten die Arbeit von Journalisten, so Mendoza Weber. "Selbstzensur ist ein Riesenthema", sagt Ludewig. Die Rangliste zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen bewertet Kolumbien als "schwierig", listet das Land auf den Rang 128 von 180 bewerteten Ländern.

Die Experten befürchten, dass es mittelfristig keine wesentlichen Veränderungen in den medialen Strukturen geben werde. Politiker müssten verstehen, dass die Medien nicht ihr Sprachrohr seien. Kopp und Mendoza Weber betonten, dass die wachsende Digitalisierung, die Stärkung der Nachhaltigkeit kleiner Medien und die Entwicklung einer allgemeinen Medienkompetenz die Medienlandschaft stärken könnten. "Die Medien Kolumbiens sind wohl noch nicht in den Startlöchern, um den Friedensprozess in voller Stärke zu begleiten", resümierte Moderator Martin Polansky.


Medien International ist eine Veranstaltungsreihe der DW Akademie in Kooperation mit dem ARD-Hauptstadtstudio.

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