Am 8. August wählt Kenia einen neuen Präsidenten. Vor zehn Jahren endete die Wahl blutig; nicht zuletzt weil die Medien zu den Unruhen beitrugen. Dies soll nicht wieder passieren. Hier setzt die DW Akademie an.
Sie wisse nun, dass sie nicht nur über Oberflächliches berichten sollte, sagt Nyar Lieta von Radio Nam Lolwe in Kisumu, einer Stadt am Viktoriasee. Und Michelle Njeri von Radio Amani in Nakuru fügt hinzu, dass sie gelernt habe, Konflikte zu analysieren. Das würde ihr in ihrer journalistischen Arbeit helfen. Wie Nyar und Michelle geht es vielen Journalistinnen und Journalisten lokaler Radiostationen in Kenia: sie sind sehr interessiert daran, ihr journalistisches Wissen zu vertiefen. Beide haben nun ein dreimonatiges "Blended Learning"-Programm der DW Akademie absolviert: eine Kombination aus Workshops vor Ort und dem Absolvieren von Übungen via Internet (E-Learning).
Konfliktsensibler Journalismus
Journalisten von zehn lokalen Radiosendern wurden so in konfliktsensiblem Journalismus ausgebildet. Dabei stehen die journalistischen Regeln im Vordergrund – Faktentreue, Unparteilichkeit, Fairness. Aber die Teilnehmer lernen auch, Konflikte zu analysieren und sie als Chance zu sehen: Statt nur über das Offensichtliche eines Konfliktes zu berichten, werden die Radioleute angeleitet, nach den Ursachen zu suchen und über geeignete Interviewpartner auch Lösungswege aufzuzeigen. Dies ist besonders im Vorfeld der Wahlen wichtig.
Kenia wählt in wenigen Wochen einen neuen Präsidenten. Friedlich, so die Hoffnung. Doch bis heute sind die Bilder und Ereignisse der Wahlen von 2007 präsent: Nach den umstrittenen Wahlen kam es zu Kämpfen zwischen den verschiedenen Volksgruppen. Über 1000 Menschen wurden getötet, rund 500.000 vertrieben. Mit verantwortlich für diese Unruhen waren auch die kenianischen Medien, insbesondere manche der kleineren Radiostationen, die in den lokalen Sprachen senden.
Die Rolle der Medien für ein friedliches Zusammenleben
Im Blended Learning-Programm wurden die Lokaljournalisten zum Beispiel für die Gefahren durch Hasssprache sensibilisiert und dafür, wie Medien zu einem friedlicheren Zusammenleben beitragen können. Nach einem Präsenz-Workshop in Eldoret stellten die kenianischen und internationalen Trainer ihnen jede Woche neue Aufgaben: einen Artikel konfliktsensibel zu überarbeiten, ein Thema konfliktsensibel umzusetzen, Interviewpartner konfliktsensibel auszuwählen.
Am Ende des Programms kamen die Journalistinnen und Journalisten nochmals für eine Woche zusammen, um die Erkenntnisse zu diskutieren und sie in einer abschließenden Reportage umzusetzen. Dass sich die Beteiligten beim „Blended Learning“ über mehrere Monate mit dem Thema auseinandersetzen, erhöht die Chance, dass sich ihre Haltung gegenüber ihrer bisherigen Arbeitsweise ändert.
Eldoret – eine Stadt mit trauriger Vergangenheit
Das diesjährige Blended-Learning-Programm ist bereits das zweite seiner Art. 2016 hatte das Kenia-Team der DW Akademie ein Modell-Projekt gestartet, um auszuprobieren, ob die Kombination aus Präsenz-Workshops und E-Learning funktioniert. Nach dem Erfolg des Piloten entschied sich das Team, in eine Stadt zu gehen, die von den Unruhen bei den Wahlen 2007 besonders betroffen war. Eldoret liegt im Westen von Kenia und ist mit knapp 300.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Landes. Anfang Januar 2008 sperrte ein aufgebrachter Mob hier mehr als 30 Schutzsuchende in der Kiambaa Kirche ein und steckte die Kirche in Brand, die bis auf die Grundmauern niederbrannte. Frauen und Kinder hatten in der Kirche Schutz gesucht, nachdem ihr Dorf angegriffen worden war.
Auch beim Bischof von Eldoret, Cornelius Korir, suchten Vertriebene Schutz. Über 10.000 Menschen lebten zeitweise auf dem Gelände der “Sacred Heart Cathedral” im Zentrum Eldorets. Der Bischof nimmt auch bei diesen Wahlen die Medien in die Verantwortung. In einem Interview mit Allan Obiero von Radio Nam Lolwe in Kisumu, einem der Teilnehmer des Blende Learning-Programms der DW Akademie, sagte Bischof Korir, dass die Medien leider oft parteiisch berichteten. Ihre Aufgabe aber wäre es, alle Parteien und deren Programm vorzustellen und nicht eine Partei zu bevorzugen.
Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Programms für konfliktsensiblen Journalismus scheint diese Botschaft angekommen zu sein. Nebert Wafula von Radio West fm in Bungoma bekräftigte die Wichtigkeit des Trainings nicht nur für ihn, sondern auch für seine Kollegen zuhause in der Radiostation. Bereits während des Trainings habe er sich mit ihnen ausgetauscht und weitergegeben, was er gelernt hatte: "Die meisten von uns kannten konfliktsensiblen Journalismus bislang nicht. Wir haben Dinge gesendet, von denen wir nicht wussten, dass sie andere eventuell verletzen können. Das Bewusstsein dafür haben wir jetzt."