Berlin: Tunesische Pressesprecher blicken hinter die Kulissen

Auf dem Podium ein Dutzend Ministeriumssprecher in Reihe sitzend, in der Mitte Regierungssprecher Steffen Seibert. Fast zwei Stunden lang beantworten sie Fragen von Journalisten zur Flüchtlingskrise, zum Konflikt in der Ukraine, zur Griechenland-Wahl oder zum VW-Skandal. Kein Thema, das die deutsche Öffentlichkeit an diesem Montag beschäftigt, wird in der Bundespressekonferenz ausgelassen. Auch wenn die Journalisten hart nachfragen und der Ton etwas rauer wird, die Sprecher bleiben entspannt, argumentieren oder weichen aus.

Inspirierendes Modell

Unverzichtbar: Die dreiwöchentlichen Termine der Regierungssprecher in der Bundespressekonferenz

In der hintersten Reihe sitzen heute zwölf tunesische Pressesprecher. Eine Woche lang sind sie auf Einladung der DW Akademie in Berlin, um einen Einblick in deutsche Institutionen und die Pressearbeit deutscher Ministerien zu bekommen. Bei dem Auftakt in der Bundespressekonferenz konnten sie gut beobachten, wie Kommunikation zwischen Bund und Medien in Deutschland funktioniert.

"Beeindruckend fand ich die souveräne Art der Sprecher, und auch dass die Journalisten akzeptiert haben, wenn ihre Fragen mal nicht beantwortet wurden", sagte Sonia Gharbi, Leiterin der Pressestelle des tunesischen Verkehrsministeriums. Positiv überrascht waren die zwölf Gäste vor allem vom gegenseitigen Respekt der Beteiligten. "Für mich wäre dieser regelmäßige Termin ein Traum, weil das Recht auf Information wirklich in die Praxis umgesetzt wird", lobte Sofiène Shili vom tunesischen Justizministerium.

Disziplin trotz Feueralarm

Rund um die Uhr besetzt - das Lagezentrum des Bundespresseamtes

Dass in Deutschland Sport und Religion Ressorts des Bundesinnenministeriums (BMI) sind, sorgte ebenfalls für Staunen in der Delegiertengruppe. Denn das tunesische Pendant ist nur für Polizei und Sicherheit zuständig. Berater Hendrik Lörges, der als ehemaliger BMI-Pressesprecher seit 2013 für das Team Medientraining der DW Akademie das Beratungsprojekt in den Pressestellen tunesischer Ministerien unterstützt, erklärte ihnen, dass all diese Bereiche den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.

Inspirierend fanden viele Teilnehmer die Aufgabenverteilung in der Pressestelle und deren Position innerhalb des Ministeriums: "Dass die Pressestelle direkt unter dem Minister im Leitungsstab angesiedelt ist, finde ich gut. Das zeigt den hohen Stellenwert der Pressearbeit", so Najet Hammami vom tunesischen Religionsministerium.

Kaum war das letzte Wort gesprochen, sorgte ein schriller Ton für ein plötzliches Ende der Veranstaltung: Feueralarm im BMI! Bei der Räumungsübung konnten die tunesischen Gäste nicht nur die berühmte deutsche Disziplin erleben, sondern auch den schönen Garten des Ministeriums aus jedem Winkel ablichten. Dass die Zeit der Evakuierung sich dadurch deutlich verzögerte, nahm ihnen keiner übel.

SMS an die Kanzlerin

Nikola Krebs und Aniss Ben Rayana diskutierten über die Unterschiede der Pressearbeit im tunesischen und deutschen Landwirtschaftsministerium

Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, empfangen und analysieren die Mitarbeiter des Lagezentrums der Bundesregierung Nachrichten aus aller Welt. Passiert etwas Wichtiges, wird Angela Merkel per SMS direkt informiert. Über diese und weitere Aufgaben informierten sich die Tunesier im Bundespresseamt, bevor sie mit Amtskollegen aus verschiedenen Bundesministerien in einer großen Runde diskutieren konnten.

In der lebendigen Diskussion ging es unter anderem um die Vorbereitung von Medienauftritten und um interministerielle Zusammenarbeit. In Kleingruppen konnten sich anschließend alle tunesischen Gäste mit ihren deutschen Amtskollegen direkt austauschen.

"Solche Termine schätze ich sehr, weil ich dabei immer wieder etwas lernen kann. Das ist es, was mich antreibt", sagte Georg Streiter, stellvertretender Sprecher der Bundesregierung. Auch für Nikola Krebs, vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, eine Bereicherung: "Mein tunesisches Pendant hatte sehr konkrete Fragen zum Aufbau unserer Pressestelle. Im Gegenzug konnte ich auch einiges über die Situation in Tunesien erfahren und hoffentlich hilfreich für den Kollegen sein".

"Ein Modell für unser Land"

Zu Gast im Arabischen Programm der Deutschen Welle

Beim Auswärtigen Amt konnten die Delegationsteilnehmer ihre Kenntnisse über digitale Pressearbeit vertiefen. Vom Referenten für Krisenfragen, Heinrich Hubbe, erfuhren sie, wie wichtig enge Absprachen und klare Aufgabenverteilung für Krisenkommunikation sind, um Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Die Bundespressekonferenz sei übrigens "ideal" in solchen Fällen, meinte Hubbe und schloss damit den Kreis zum Auftakt der Bildungsreise. "So kann man alle Fragen auf einmal beantworten und vermeiden, dass das Telefon ständig klingelt."

Spannende Einblicke gab es auch beim Besuch des Bundestages und der Deutschen Welle. Ein vollgepacktes und gelungenes Programm, fand Pressestellenleiter Chokri Nafti: "Ich freue mich, meine Kenntnisse über die Abläufe in den Pressestellen Deutschlands vertieft zu haben. Dies ist ein Modell für unser Land."