Bangladesch gilt als eines der korruptesten Länder der Welt - dennoch begegnen die meisten dem Problem mit Gleichgültigkeit. Eine neue Radiosendung, entstanden mithilfe der DW Akademie, möchte dies ändern.
"Ich habe noch nie in meinem Leben mit Korruption zu tun gehabt", erzählte Teilnehmerin Shagufta Abid Shari am ersten Trainingstag bei einer gemeinsamen Diskussion über die Auswirkungen von Korruption. Diese Aussage der jungen Nachrichten-Reporterin von ABC Radio in Dhaka überraschte, schließlich gilt Bangladesch als eines der korruptesten Länder der Welt.
Gleichzeitig verdeutlicht der überraschende Kommentar der jungen Radiojournalistin eine problematische Tendenz in der bangladeschischen Gesellschaft: Die Bevölkerung ist so sehr an Korruption gewöhnt, dass sie diese gar nicht mehr als solche wahrnimmt und daher auch kein Bewusstsein mehr dafür entwickelt, was auf dem Spiel steht. "Unser größter Feind im Kampf gegen Korruption ist die Gleichgültigkeit. Besonders jungen Leuten fehlt das Interesse, sich damit auseinander zu setzen", sagte Teilnehmer Sharmeen Shahnaz.
Laut Korruption-Index der internationalen Nichtregierungsorganisation Transparency International zählt Bangladesch weltweit zu den Schlusslichtern: von geringfügiger Korruption wie Bestechungsgeldern bei Genehmigungen und Zulassungen bis hin zu großen Skandalen mit hochrangigen Politikern. Selbst bei der Tragödie am Rana Plaza, bei der durch einen Fabrik-Einsturz über eintausend Menschen starben, war Korruption im Spiel. So soll der Eigentümer die Genehmigung für den Bau zusätzlicher Stockwerke gegen Bestechungsgelder erkauft haben, um Sicherheitsauflagen zu umgehen.
"Die allgegenwärtige, wuchernde Korruption erstickt leider viele positive Ansätze", sagt Eberhard Sucker, Ländermanager für Bangladesch der DW Akademie. So würden beispielsweise staatliche Behörden einen Teil der Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit abschöpfen anstatt gezielt für Projekte einzusetzen. "Bei der Korruptionsbekämpfung können auch Journalisten helfen, indem sie einerseits über Korruption berichten, die Hintergründe aufdecken, und auch indem sie andererseits selbst den Versuchungen von bezahltem, gefälligen und korruptem Journalismus widerstehen."
Kombination aus Journalismus und Design-Thinking
Eine neukonzipierte Radiosendung soll hier Aufwind geben. Wie aber sollte so eine Sendung zum Thema Korruption aussehen, die nicht nur informiert sondern auch unterhält, die fasziniert und insbesondere junge Hörer anspricht? Dieser Herausforderung stellten sich die Teilnehmer des zweiwöchigen In-house-Trainings der DW Akademie bei ABC Radio, einem der populärsten Radiosender in Bangladesch. Das Training wurde von der GIZ in Bangladesch initiiert und von der bangladeschischen Anti-Korruption-Kommission unterstützt. Als Partner konnte ABC Radio in Dhaka gewonnen werden, ein Sender, der sein Programm kürzlich umfassend reformiert hat. So zeigte sich das Management von ABC Radio besonders interessiert, da es seit der Sendereform verstärkt eine junge Hörerschaft mit neuen und innovativen Formaten ansprechen möchte.
Um eine völlig neue Radiosendung zu erschaffen, gaben die beiden Trainer Mainul Islam Khan, Journalist aus Bangladesch, und Attila Mong, Trainer der DW Akademie, neben journalistischen Grundlagen vor allem kreativen Ideen viel Raum. So kombinierten sie das journalistische Training mit der Design-Thinking-Methode, ein im Silicon Valley weit verbreiteter Ansatz zur Entwicklung innovativer und kreativer Ideen. Jede Trainings-Einheit beinhaltete daher zwei Ziele: zum einen die Vermittlung von Grundlagen des Radiojournalismus und zum anderen Entwicklung einer Pilotsendung mithilfe der Design-Thinking-Methode.
Brainstorming gehörte genauso zum täglichen Programm, ebenso wie das Hineinfühlen in potentielle Hörer. Als Hilfe hatten die Teilnehmer direkt zu Anfang zwei typische Hörer definiert und charakterisiert: Afreen und Mamoun, zwei junge Bangladeschis in den 20ern. Wann immer eine neue Idee während des Trainings entstand, versuchten die Radiojournalisten die einfache Frage zu beantworten: Wie würde das Afreen or Mamoun gefallen?
Gesellschaft einen Spiegel vorhalten
"Wir möchten es noch mal machen - die Sendung soll noch besser werden", sagten die Teilnehmer am Morgen des achten Tages, nur zwei Tage bevor das Team dem Radiomanagement die Pilotsendung präsentieren sollte. Zu diesem Zeitpunkt war der erste Pilot bereits fertig: "Ayna - der Spiegel", eine Radiosendung über Korruptionsprävention mit Musik, Nachrichten, Umfrage, Interviews und Statements von Prominenten. Das Team wollte jedoch noch weiter - und insbesondere die jungen Hörer besser ansprechen. Mit Erfolg: In nur zwei Tagen feilten die Radiojournalisten am Stil und den Moderationen, fügten mehr Musik hinzu und schafften es, die Sendung insgesamt lustiger, unterhaltsamer und inspirierender für junge Menschen zu gestalten. Sie entwickelten sogar einen eigenen Anti-Korruptions-Song, indem sie für einen bekannten Bollywood-Song einen neuen Text schrieben und vertonten.
"Insbesondere die letzten Tagen waren einzigartig für uns Trainer", sagte Attlia Mong. "Schließlich ging es nicht nur darum, gemeinsam einen Piloten zu entwickeln, sondern auch darum, diese neue Sendung im Team und im Sender zu verankern. Als wir uns am Ende des Trainings verabschiedeten und ich die Begeisterung in den Gesichtern der Teilnehmer und auch des Managements gesehen habe, da war ich mir sicher, dass wir dieses Ziel erreicht hatten."
Mit der Produktion der Pilotsendung schließt die DW Akademie eine Reihe von Trainings in Bangladesch ab, die sie gemeinsam mit der GIZ im Rahmen des Programms "Good Governance and Democracy" und in Zusammenarbeit mit der bangladeschischen Anti-Korruptionsbehörde (ACC) durchgeführt hatte. Dazu gehörten Medientrainings für Pressesprecher der ACC, Trainings für Journalisten in investigativer Recherche zur Berichterstattung über Korruption sowie die Einladung zur Teilnahme am Global Media Forum 2014 für fünf Gewinner eines Journalistenpreises für herausragende Berichterstattung zum Thema Korruption.