Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Ukraine rettet Leben: UA:PBC ist wichtiger denn je   | Europa/Zentralasien | DW | 18.03.2022
  1. Inhalt
  2. Navigation
  3. Weitere Inhalte
  4. Metanavigation
  5. Suche
  6. Choose from 30 Languages

Europa/Zentralasien

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Ukraine rettet Leben: UA:PBC ist wichtiger denn je  

Zu Friedenszeiten koordinierte Dima Khilchenko in Kiew die Ukraine-Projekte der DW Akademie. Nun ist er nach Lwiw geflohen und unterstützt Mitarbeitende von UA:PBC, die allen Widrigkeiten zum Trotz weiter berichten.  

DW Akademie: Dima, wie geht es Ihnen?  

Dima Khilchenko: Um ehrlich zu sein, verliere ich mein Zeitgefühl. Es fühlt sich an, als wären Monate vergangen, so langsam vergeht die Zeit. Ich wache jede Nacht um vier Uhr auf, checke die Nachrichten und lese sie dann um sechs Uhr noch einmal. Ich bin traurig, weil meine Stadt angegriffen wird, ich bin wütend, weil die russische Armee Kinder tötet und Kindergärten und Schulen bombardiert und ich fühle mich hilflos und wünschte, ich könnte viel mehr tun, als ich momentan mache. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir gewinnen werden und ich bin mir sicher, dass weder ich noch irgendein anderer Ukrainer unser Land aufgeben wird, denn dies ist unsere Heimat.  

Sie unterstützen ukrainische und ausländische Journalisten bei der Berichterstattung über den Krieg. UA:PBC, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Ihres Landes und unser Partner, ist noch immer in Betrieb. Wie ist das noch möglich?  

UA:PBC musste die Haupttätigkeit von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw in der Westukraine verlagern und senden jetzt von dort aus die nationalen Nachrichten. 120 Redaktionsmitglieder und ihre Familien sind aus Kiew hierher geflohen. Trotz der Kämpfe in vielen Teilen des Landes berichten die meisten der 23 Regionalbüros von UA:PBC nach wie vor. Und es sind noch immer Mitarbeiter in Kiew, die Nachrichten produzieren. Das alles ist sehr schwer. Es ist ein absolutes Chaos.  

Wie war UA:PBC in der Lage, sofort Inhalte von Lwiw aus zu produzieren? Gab es dort bereits ein Studio?  

Wir hatten nur ein kleines Büro, als wir dort ankamen, also mussten wir bei null anfangen und sogar Wände einreißen, um neue Kabel verlegen zu können. Wir haben jetzt außerdem ein zweites Studio in einem unterirdischen Bunker. Da Fernsehtürme in anderen Städten angegriffen wurden, brauchten wir ein Ersatzstudio, das sicher und voll funktionsfähig ist. Vor ein paar Tagen gab es Raketenalarm, während wir auf Sendung waren, also schaltete das Team eine Videoschleife ein und ging in den Bunker. Von dort aus arbeiteten die Moderatoren eine Stunde lang, bis der Alarm vorbei war.  

Wie wichtig ist UA:PBC jetzt für die Ukrainer?  

Jeder in der Redaktion weiß jetzt, dass die Rolle von UA:PBC als öffentlich-rechtlicher Sender weit über das Verbreiten vertrauenswürdiger, unparteiischer und ausgewogener Informationen hinausgeht: Wir retten Leben. In Charkiw, zum Beispiel, haben wir trotz der ständigen Angriffe und Bombardierungen immer noch Journalisten vor Ort. Das dortige Raketenalarmsystem wurde bei einem der Angriffe zerstört. Die Behörden rufen uns jetzt an, um uns über mögliche Anschläge zu informieren, und wir übermitteln die Informationen als Push-Benachrichtigungen über die Messenger-Plattformen Telegram und Viber. In ein oder zwei Tagen haben wir mehr als 100.000 Abonnenten dazugewonnen - alles Menschen, die UA:PBC vertrauen und auch Dank uns hoffentlich überleben.  

Wie gelingt es Ihnen und dem Redaktionsteam, zwischen Falschinformationen und vertrauenswürdigen Quellen zu unterscheiden?  

Es gibt viele Berichte und Videos, und die Verifizierung der Quellen ist extrem wichtig. Die Methoden haben sich nicht geändert, aber die schiere Menge der Inhalte ist überwältigend, es erfordert jetzt wesentlich mehr Aufwand. Wir überprüfen immer die geografische Position und die Metadaten jedes Videos oder Bildes, das wir erhalten. Unsere Inhalte werden hauptsächlich von unseren Korrespondenten vor Ort und ihrem Netzwerk bereitgestellt. Die Korrespondenten stützen sich auch auf nutzergenerierte Inhalte aus Quellen, denen sie vertrauen, so dass auch wir ihnen vertrauen können. Natürlich kommt es manchmal vor, dass sich eine bestimmte Information als falsch herausstellt. Dann entschuldigen wir uns, geben eine Aktualisierung heraus und nehmen sie dann herunter. Aber in diesem Fall versteht jeder, dass es manchmal besser ist, ein Risiko einzugehen und die Informationen schnell zu verbreiten, weil sie Leben retten könnten.   

Die Redaktion empfiehlt