Deutsch Lernen: Virtuell und spielerisch

Bücher waren gestern, Computerspiele sind das neue Lernmedium: DaFWEBKON, eine Webkonferenz für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, gab spannende Einblicke in die virtuelle Welt - mitveranstaltet von der DW Akademie.

Dafwebkon 2015 (Foto: DW).
Bild: DW

Eine Runde Sekt zur Begrüßung muss sein, bevor es offiziell losgeht - leider nur per Video, aber der gute Wille zählt. "Nutzen Sie die Gelegenheit zum weltweiten Networking", strahlt DaFWEBKON-Organisatorin und Moderatorin Angelika Güttl-Strahlhofer über den Bildschirm in die Runde. Das lassen sich die Teilnehmer nicht zweimal sagen. "G'day aus Australien", grüßt Catherine im Chat. Bei Claudia in Mexiko ist es noch mitten in der Nacht, und Nina vermeldet Frühlingssonne aus Südfrankreich. "Deutsch verbindet die Welt", stellt Justyna Sobota aus Polen fest und schickt ein Smiley hinterher.

Die 700 Lehrkräfte und Sprachmittler verbindet die Liebe zur deutschen Sprache an diesem Wochenende im März 2015, an dem sie sich nicht in einem Konferenzsaal, sondern im Netz treffen. "Wir haben 40 Prozent mehr Teilnehmer als im letzten Jahr, und erstmals sind Leute aus allen fünf Kontinenten dabei", freut sich Angelika Güttl-Strahlhofer. "Natürlich ist ein persönliches Treffen immer netter, aber für unsere Konferenz muss eben keiner um die halbe Welt reisen." Die DaFWEBKON ist eine Webkonferenz für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, die Praktikerinnen und Praktiker, Weiterbildungsinstitutionen und Anbieter weltweit via Internet zusammenführt - mitveranstaltet von der DW Akademie.

Deutsch für Wirtschaft und Beruf - als Serious Game

Das Schwerpunktthema der DaFWEBKON 2015 lautete "Deutsch spielerisch gestalten". Im Fokus stand diesmal vor allem die Frage, ob und wie Videospiele im Unterricht eingesetzt werden können und sollen. Welcher noch so motivierte Schüler paukt zum Beispiel schon gern Wirtschaftsvokabeln?

Mit Tatort Elbkanal könnte das anders werden; deutsche Fachsprache soll als spannender Krimi im Computerspiel nähergebracht werden, erklärt Referentin Stephanie Schmaus von der Deutschen Welle. Die Lernenden werden zu Protagonisten der Geschichte, lösen knifflige Fälle - und lernen quasi ganz nebenbei Fachvokabular. 130 Teilnehmer haben sich zugeschaltet und sparen nicht mit Lob: "O Gott, ich freue mich riesig drauf! Ich kann schon sehen, wie das sich im Unterricht ausspielen könnte. Wirklich genial", tippt Jessica Wood in den Chat und Sergej Schischkin ergänzt: "Mit allen Sinnen lernen!!! Was soll denn spannender sein!"

Spielen im einsamen Kämmerchen war einmal

Zocken für die Bildung heißt es am nächsten Morgen, vielleicht auch schon Abend, je nachdem, woher man sich gerade zuschaltet. Die Österreicherin Sonja Gabriel räumt in ihrem Vortrag mit dem Vorurteil auf, dass meist jugendliche, männliche Videospieler allein im dunklen Kämmerchen sitzen und Ballerspielen frönen. "Gamer vereinsamen nicht", betont sie und kann das auch mit Studien belegen. Im Gegenteil: Die modernen "Games" spielt man meist zu zweit, sie fördern die Interaktivität und bieten Möglichkeiten für simulierte Lebenserfahrungen.

Und dann steht da noch die Frage im Konferenz-Chat, wie viele Lehrer überhaupt webbasierte Spiele im Unterricht einbauen. In der Tat: In manchen Schulen fehlen einfach die technischen Voraussetzungen, erzählt der Senegalese Malick Ndao in seinem Vortrag zum Thema Deutschunterricht mit großen Lerngruppen. Und wenn der Strom mal wieder ausfällt, muss man erst mal den Generator anschmeißen. Anderswo ist zwar die Technik auf dem neuesten Stand, aber schlichtweg verboten, damit die Kinder nicht zu viel privat im Netz surfen.

Ein glühender Verfechter von gamebasierter Lernsoftware ist Marcus Bösch. Der Trainer der DW Akademie betreibt selbst eine Game-Design-Firma. "Fünf Gründe, warum Games den Bildungssektor umkremplen" heißt sein Vortrag, wo er klarmacht: Eierlaufen und Schulbuchlesen war gestern, die Zukunft heißt Spielen. Bei der US-Army bringe man den jungen Rekruten das nötige Know-how längst mit Videospielen bei, da man davon ausgehe, dass sie die Feinmotorik und das strategische und räumliche Denken fördern würden, so Bösch. "Mit Handbüchern lockt man die Videospiele-Generation nicht mehr hinterm Ofen hervor."

Aufbruchstimmung trotz Problemen in der Praxis

An diese Zukunftsvision schließt sich nahtlos die Podiumsdiskussion "Bye-Bye Klassenraum. Hallo Computerspiel?" der Deutschen Welle an. Marco Fileccia ist mit von der Partie, Oberstudienrat an einem Gymnasium, Inke Schmidt, wissenschaftliche Mitarbeiterin, und noch einmal Marcus Bösch. Jetzt werden all die Fragen angesprochen, die vielen auf der Seele brennen. Was ist überhaupt ein gutes Spiel? Wer legt die Kriterien fest? Schwer zu beantworten, meint Inke Schmidt, die im Rahmen eines Projekts viele Sprachlerspiele gestestet hat. Denn es gebe viele verschiedene Lerntypen: Der eine liebt Abenteuer, der andere sortiert lieber Süßigkeiten. Ein Spiel müsse also immer auf die Zielgruppe zugeschnitten sein.

Gymnasiallehrer Fileccia erzählt von seinen praktischen Erfahrungen im Schulalltag. Da ist zunächst einmal der Zeitfaktor, dann ist der vom Schulamt vorgegebene Lernstoff nicht unbedingt als Game vorhanden, und schließlich ist das Ganze auch relativ kostenintensiv. Doch Fileccia lässt sich nicht unterkriegen, denn seine Schüler haben sichtlich Spaß an dem neuen Lernmedium und sind meist mit Feuereifer dabei. Den Eltern allerdings muss er oft erst schonend beibringen, dass ihre Kinder jetzt auch noch im Unterricht spielen, da ist Fingerspitzengefühl gefragt. "Ein harter Kampf auch mit Schulleitern und Kollegen." Worauf Michael Schmidlehner schmunzelnd chattet: "Die Akzeptanz der Spiele seitens der Eltern kann dazu beitragen, dass die Energie der Lernwiderstände in Motivation verwandelt wird."

Bei allen eventuellen Berührungsängsten: Die Zukunft ist nicht aufzuhalten. Nach Böschs Prognose gehören Serious Games spätestens in einem Vierteljahrhundert zum Alltag. Über den Chat zitiert Monika in diesem Zusammenhang sogar Albert Einstein: "Das Spiel ist die höchste Form der Forschung." Und aus Griechenland kommt prompt die Antwort: "Alle sagen, das geht nicht ... dann kommt einer, der weiß das nicht und macht es einfach!"

André Moeller, Leiter Bildungsprogramme der DW Akademie, sammelt Fragen im Chat (Foto: DW).
André Moeller, Leiter Bildungsprogramme der DW Akademie, sammelt Fragen im Chat Bild: DW
Marcus Bösch (rechts unten) erklärt in seiner Keynote, warum Games den Bildungssektor umkrempeln (Foto: DW).
Marcus Bösch (rechts unten) erklärt in seiner Keynote, warum Games den Bildungssektor umkrempeln Bild: Dafwebkon 2015/Foto: Suzanne Cords
Das Serious Game "Tatort Elbkanal" der Deutschen Welle (Foto: DW).
Das Serious Game "Tatort Elbkanal" der Deutschen Welle Bild: DW