Diskriminierung, schlechte Bezahlung und Spott - viele Taktiken versperren ägyptischen Journalistinnen die Karriereleiter. Auf Workshops der DW Akademie in Kairo sprachen Reporterinnen über Tabus im Arbeitsleben.
Zum ersten Mal sprachen Journalistinnen in Kairo über ihren Redaktionsalltag und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Kaum war der erste Tag des Workshops in Kairo vorbei, war klar: Über diese Themen hatten die meisten Teilnehmerinnen noch nie gesprochen. Wie erkenne ich meine Stärken und kann sie selbstbewusst präsentieren? Wie schaffe ich es, das gleiche Gehalt wie meine männlichen Kollegen zu bekommen? Und: Wie wehre ich mich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Genau diese Themen besprachen rund 60 Journalistinnen aus ganz Ägypten in aufeinanderfolgenden Workshops, spielten Redaktionskonferenzen nach oder analysierten journalistische Texte. "Ich habe noch nie so einen intensiven Austausch erlebt", sagte Sigrun Rottmann, die gemeinsam mit Kerstin Kilanowski das DW Akademie-Projekt trainierte.
Journalistin - und Tochter, Mutter, Ehefrau
Dabei ging es sehr schnell um persönliche Themen: Wie kann ich mich als Journalistin verwirklichen und gleichzeitig meiner Rolle als Frau gerecht werden, sprich: als Tochter, Mutter, Ehefrau? Denn: Von der Tochter wird oft erwartet, dass sie sich keinen Gefahren aussetzt und beispielsweise nicht alleine reist, von der Mutter, dass sie die Kinder alleine aufzieht und von der Ehefrau, dass sie sich um den Haushalt kümmert. Hinzu kommt Mobbing am Arbeitsplatz, manchmal auch von weiblichen Kolleginnen. "Unterstützung von anderen Frauen im Redaktionsalltag gibt es so gut wie gar nicht", erzählte eine Teilnehmerin. Daher war es Sigrun Rottmann wichtig, mit den Workshops erstmalig auch einen Rahmen zu schaffen, in dem sich Frauen untereinander austauschen konnten - ohne dass vertrauliche Gespräche weitererzählt und zum Karrierehindernis werden.
Der wichtigste Aspekt war jedoch, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken. So habe im Workshop beispielsweise eine Teilnehmerin erzählt, dass Fallschirmspringen ihr Hobby sei. Als Trainerin Rottmann sie darauf ansprach, ob das auch in ihrem Lebenslauf stehe, sagte sie: "Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen!" Für Sigrun Rottmann sind dies die "eigenen Geschichten", mit denen sie den meist jungen Journalistinnen zwischen 20 und 30 Jahren helfen will, Strategien gegen die Ohnmacht zu entwickeln.
Auf "Frauen-Themen" reduziert
Meist sind die Journalistinnen für "Frauen-Themen" zuständig, also Kinder, Kochen, Beauty und Mode. Wenn es um echte Missstände geht, wie beispielsweise Kinderhochzeiten oder Genitalverstümmelung - weiterhin gängige Praxis in Oberägypten - , werden die Themen oft abgetan. Für Jens-Uwe Rahe, Ländermanager für Ägypten der DW Akademie, war die Unterrepräsentation von Frauen und von genderspezifischen Themen ein Grund, warum er die Workshops initiierte: "Mädchen, Mütter, berufstätige und ältere Frauen haben es schwer, für ihre Belange und Rechte öffentlich einzutreten. Sie sind gesellschaftlich und ökonomisch benachteiligt." Damit verschenke Ägypten auch einen Großteil seines Entwicklungspotentials. "Mit dem Projekt 'Frauenstimmen' setzt die DW Akademie bewusst auf Ägyptens Journalistinnen. Das sind nicht wenige, unter den Journalistik-Studierenden stellen sie sogar die Mehrheit. Doch im redaktionellen Alltag haben sie bislang oft das Nachsehen."
Im Anschluss an die drei Workshops wurden vier Journalistinnen von der DW Akademie vor Ort selbst zu Trainerinnen ausgebildet, um das Thema weiter zu verbreiten und gegebenenfalls zukünftig die DW Akademie in Ägypten zu unterstützen.
Nach Abschluss der intensiven Workshop-Phase richtete die DW Akademie Ende November eine Konferenz in Kairo aus, auf der alle Teilnehmerinnen zusammenkamen, aber auch Aktivistinnen und prominente Journalistinnen und Journalisten. "Auf der Veranstaltung kamen einige auf mich zu und erzählten mir von erfolgreichen Gehaltsverhandlungen oder Job-Wechseln", sagte Sigrun Rottmann. Doch was die Trainerin am meisten freute, war ein Projekt, das von den ägyptischen Journalistinnen selbst angestoßen wurde: das informelle "Netzwerk Ägyptischer Journalistinnen".
Ein großer Erfolg auch für Tilman Rascher, Leiter des Bereiches Nordafrika und Nahost der DW Akademie: "Wir sind sehr froh, dass diese Konferenz überhaupt stattfinden konnte. Der Spielraum für ausländische Organisationen in Ägypten - und das gilt insbesondere für den Medienbereich - wird derzeit immer enger."
Das Projekt der DW Akademie "Frauenstimmen: Aufstiegschancen für ägyptische Journalistinnen" wurde finanziert vom Auswärtigen Amt.