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Rückgabe von Maya-Artefakten

Brenda Haas
5. November 2021

Immer häufiger geben auch private Sammler zurück, was ihnen nicht gehört - wie jetzt im Falle von 13 Maya-Kulturgütern. Macht ihr Beispiel Schule?

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Tonfigur eines Feuergotts der Maya
Rund 1500 Jahre alt ist diese Tonfigur eines Feuergotts der Maya. Bild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

Die Entdeckung und Rückgabe von Maya-Artefakten hat zuletzt für Schlagzeilen gesorgt - denn es waren auch Privatsammler, die die umstrittenen Gegenstände freiwillig abgaben. Ende 2020 hatte sich in der sachsen-anhaltinischen Stadt Klötze ein Mann bei der Polizei gemeldet. Er wollte Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg abgeben, die seinem Vater gehört hatten. In seinem Keller fand sich dann auch eine Sammlung von 13 Gegenständen aus der Maya-Kultur, darunter Figuren, Teller und Tassen, die aus der Zeit zwischen 250 und 850 n. Chr. stammten. Der Mann behauptete nicht zu wissen, woher die Gegenstände stammten. Er habe sie 2003 für weniger als 100 Euro auf einem Flohmarkt in Leipzig erworben. 

Ein Experte bestätigte die Echtheit der Objekte und erklärte, dass elf der Artekfakte im heutigen Guatemala hergestellt wurden. Zwei weitere stammten aus Teotihuacán, rund 48 Kilometer vom heutigen Mexiko-Stadt entfernt. Das antike mesoamerikanische Teotihuacán war die größte Stadt des präkolumbianischen Amerikas. Die Polizei vermutet, dass die Kulturgegenstände von Grabräubern mitgenommen wurden.

Nebeneinander gelegte Maya-Skulpturen und Gefäße
Zeugnisse der Kultur der Maya entdeckte die Polizei im Keller eines Hauses in OstdeutschlandBild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

An diesem Freitag (05.11.2021) übergibt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, die Artefakte von unschätzbarem Wert in Berlin in einer feierlichen Zeremonie dem guatemaltekischen Botschafter Jorge Lemcke und dem mexikanischen Botschafter Francisco Quiroga.

Vorbildlicher Rückgabewille 

Die Übergabe erfolgt nur eine Woche, nachdem ein anderer privater Sammler in Frankreich ein Maya-Artefakt an Guatemala zurückgegeben hat. Das Steinfragment war vermutlich in den 1960er-Jahren aus einer Maya-Stätte geplündert worden. Es stellt den Kopf eines Herrschers von Piedras Negras dar, der einen Kopfschmuck in Form eines Raubvogels trägt.

Ein Teil eines Maya Artefakt bei Übergabe im Pariser Hauptquartier der UNESCO.
Im UNESCO-Hauptquartier in Paris wurde der Teil einer Säule aus Piedras Negras an Guatemala zurückgegebenBild: STEPHANE DE SAKUTIN/AFP/Getty Images

Piedras Negras war die Hauptstadt eines Maya-Königreichs, das zwischen dem 4. Jahrhundert v. Chr. und dem 9. Jahrhundert n. Chr. bestand und im heutigen Nordwesten Guatemalas lag.

Die Los Angeles Times berichtete, das Objekt habe mehrmals den Besitzer gewechselt, bevor es schließlich von den privaten Sammlern Manichak und Jean Aurance in Paris erworben wurde. Später gelangte es in eine Sammlung präkolumbischer Artefakte, die 2019 in Paris versteigert werden sollten. Der Schätzwert lag zwischen rund 23.000 und 34.000 Euro. 

Guatemala erhob jedoch Einspruch und legte Beweise für die Herkunft der Schnitzerei vor, darunter Zeichnungen und Bilder, die auf ihre Entdeckung im Jahr 1899 zurückgingen. Daraufhin wurde die Schnitzerei von der Auktion zurückgezogen.

Ein Tongefäß der Maya mit modelliertem Dekor.
Ein 1500 Jahre altes Tongefäß mit modelliertem Dekor: Die Maya haben es als Trinkbecher benutzt Bild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

Es folgten Verhandlungen zwischen dem Sammler Manichak Aurance, der französischen und der guatemaltekischen Regierung sowie der UNESCO. Diese gab später bekannt, Aurance gebe das Artefakt von sich aus zurück. "Die freiwillige Rückgabe dieses Fragments einer Maya-Stele an das Ursprungsland Guatemala zeigt, wie sich das internationale Umfeld in den letzten 50 Jahren unter der Leitung der UNESCO zugunsten der Rückgabe von emblematischen Kulturgütern und Artefakten an ihr Heimatland entwickelt hat", erklärte UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay. Es sei ein Beleg für die große Bedeutung des UNESCO-Übereinkommens von 1970 für die Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern, so Azoulay, eine Erfolgsgeschichte, die auf internationaler Zusammenarbeit beruhe - und auf dem guten Willens eines privaten Sammlers. "Ein Vorbild für andere."

Respekt vor kulturellem Erbe wächst

Bereits im Mai dieses Jahres gaben zwei deutsche Privatsammler 34 präkolumbianische Artefakte freiwillig an Mexiko zurück. Das Gros der Objekte kam aus der Stadt Monheim am Rhein, die übrigen aus dem 70 Kilometer entfernten Recklinghausen. Diego Prieto, Direktor des mexikanischen Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte, würdigte die Restitution als Folge einer "wachsenden Sensibilität" dafür, kulturelles Erbe zu respektieren und Artefakte zurückzugeben.

Im heutigen Guatemala stellen indigene Völker mit Maya-Abstammung über 40 Prozent der Bevölkerung. Im Norden des Landes liegen die Ruinen der Stadt Tikal, eines der ehemaligen Machtzentren der Maya. Unweit von Mexikos Hauptstadt Mexiko-Stadt liegen die weitläufigen Ruinen von Teotihuacán - das Zentrum einer Kultur, die im 1. Jahrhundert n. Chr. Mittelamerika beherrschte.

Das Recherchenetzwerk InsightCrime.org berichtete im Februar 2020, in Guatemala gebe es immer noch Schwarzmärkte, auf denen Maya-Artefakte verkauft werden. Der Bericht stützt sich auf einen Experten der Stiftung "La Ruta Maya", wonach Maya-Stätten zwischen den 1960er und 1980er-Jahren geplündert wurden. Damals habe ein Trend zu präkolumbianischen Ausstellungen in den Vereinigten Staaten die Nachfrage nach Kulturgütern von Museen und privaten Sammlern explodieren lassen. Auch habe der Bürgerkrieg in Guatemala einige Archäologen gezwungen, Ausgrabungsstätten aufzugeben und sie verarmten ländlichen Gemeinden zu überlassen, die nach Einnahmemöglichkeiten suchten.

Wem gehören die Artefakte?

Der Bonner Altamerikanist Nikolai Grube
Der Bonner Altamerikanist Nikolai GrubeBild: DW/E. Usi

Für Nikolai Grube, Professor für Altamerikanistik an der Universität Bonn, sind die indigenen Völker Lateinamerikas die rechtmäßigen Erben der Artefakte. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er im Mai dieses Jahres, Angehörige der indigenen Bevölkerung lebten entweder verarmt auf dem Land oder in den Favelas der Großstädte. "Die Debatte um afrikanische Raubkunst hätte schon viel früher geführt werden müssen", so Grube. Das sei jetzt auch für Südamerika nötig. "An all diesen Objekten klebt Blut - es ist nur älter."

Adaption aus dem Englischen: Stefan Dege