Interkulturelles Training
Es war ein schöner, gemeinsamer Abend. Das Restaurant leert sich, man lässt die Rechnung kommen. Während die italienischen Gäste ihre deutschen Kollegen einladen wollen, schlagen diese das Angebot vehement aus und rufen den Kellner zurück: "Also ich zahle den Salat, die Pasta und noch einen Viertel der Weinflasche." "Können Sie uns bitte noch mal die Speisekarte bringen, damit ich meinen Anteil ausrechnen kann?" Lachen erfüllt den Seminarraum, als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes diese Szene nachspielen. Alle hier kennen diesen so "deutschen" Moment.
Was ist typisch "deutsch"? So lautete die Frage an die rund 30 Teilnehmer des Interkulturellen Trainings. In kurzen Szenen ergründen sie zunächst, welches "deutsche Gepäck" in internationalen Begegnungen zum Fallstrick werden kann. Dabei wird schnell deutlich: Es sind meist gar nicht Worte und Sätze, die zu einem Missverständnis führen, sondern alltägliche Gewohnheiten, Gestik und Mimik. "Ich war schon oft im Ausland und kenne mich eigentlich mit dem einen oder anderen Fettnäpfchen aus. Durch das Training ist mir aber noch mal bewusst geworden, wie viele Fallen es im täglichen Miteinander gibt", sagt Sabine Müller, Anwärterin für den höheren Dienst. "Ich denke, dass es vor allem wichtig ist, offen zu bleiben."
Um diese Offenheit zu schulen, bietet der Seminartag viele praktische Übungseinheiten. Schaffen es die Anwärter, ein Gespräch ohne Blickkontakt zu führen? "Ich finde das total schwer", sagt eine Teilnehmerin. "Es ist so unpersönlich, und irgendwie schaue ich automatisch in die Augen meines Gegenübers." Trainerin Merjam Wakili sensibilisiert die Teilnehmer immer wieder, selbstverständliche Kulturstandards zu hinterfragen. "In vielen Kulturen gilt es als unhöflich oder aggressiv, sich in die Augen zu schauen." Dabei betont sie, dass es in der interkulturellen Kommunikation kein richtig oder falsch gebe, sondern dass es vielmehr um die Aufmerksamkeit gegenüber anderen Kulturstandards gehe.
Auf Tuchfühlung mit Menschenrechtsaktivisten und Dorfältesten
Die Anwärter für die mittlere, gehobene und höhere Laufbahn durchlaufen eine Vielzahl an Seminaren und Trainings, bevor sie in ihren ersten Auslandseinsatz starten. Das Interkulturelle Training ist für Kai Baldow, stellvertretender Leiter der Akademie Auswärtiger Dienst, eine große Bereicherung. "Diese Sensibilisierung ist ein zentrales Handwerkszeug für die künftige Laufbahn. Uns ist es wichtig, dass die Anwärter lernen, das eigene Verhalten auf den anderen einzustellen - ohne dabei die eigene Natürlichkeit aufzugeben."
Üben können das die Seminarteilnehmer insbesondere am Nachmittag: Drei Trainer der Deutschen Welle aus China, Burkina Faso und Afghanistan konfrontieren die Anwärter in Kleingruppen mit den jeweiligen Kulturstandards. So mimt der Journalist Shi Ming einen chinesischen Menschenrechtsaktivisten und möchte wissen, wie ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft diesen auf der Straße begrüßen würde. Eric Segueda spielt einen Dorfältesten aus Burkina Faso und lädt die Seminarteilnehmer ein, einen neuen Brunnen einzuweihen. Und Safi Ibrahimkhail empfängt die künftigen Botschaftsmitarbeiter in seinem Haus und überfordert mit ständigem - in Afghanistan üblichen - Körperkontakt. "Als DW Akademie haben wir eine besondere interkulturelle Expertise. Unsere Trainer verfügen aufgrund vieler Auslandseinsätze über eine hohe interkulturelle Kompetenz", sagt Daniela Wiesler, Leiterin Medientraining der DW Akademie. "Unterstützt werden sie durch unsere internationalen Kollegen, die in Deutschland leben und in ihre Heimatländer berichten. Sie meistern jeden Tag einen interkulturellen Spagat und wissen genau, welche Dinge missverständlich oder erklärungswürdig sind, und wie sie dies vermitteln können."
Das Medientraining der DW Akademie bietet an den Standorten Bonn und Berlin eine Vielzahl offener Kursen sowohl in interkultureller Kommunikation als auch im professionellen Umgang mit Medien. Die Trainings sind speziell auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern und Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zugeschnitten. Hinzu kommt ein vielfältiges Trainings-Angebot für Journalisten wie beispielsweise Mobile Reporting oder TV Moderation.