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"Altes Rom" unterm Kölner Dom

Suzanne Cords
25. Januar 2024

Für Archäologen ist Köln ein Paradies. Kaum fangen sie an zu graben, stoßen sie auch schon auf Spuren der 2000 Jahre alten Stadtgeschichte. Unter dem Dom ist es besonders spannend.

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Ein Portal aus Stein, dahinter steinere Reste und ein Gang
Das römische Westportal, wiederaufgerichtet am Eingang zur DomgrabungBild: Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte/Foto: Mira Unkelbach

"Wir haben hier eine riesige Fläche freigelegt und uns bis in die Römerzeit vorgearbeitet", sagt die Archäologin Ruth Stinnesbeck. Riesig heißt: Rund 4000 Quadratmeter Vergangenheit wurden unter dem Dom in etwa dreieinhalb Metern Tiefe ausgegraben - an der tiefsten Stelle geht es sogar 16 Meter in die Erde. Dort unten gibt es viele gut erhaltene Funde zu entdecken - "anders als überall sonst in der Stadt, wo ständig alte Gebäude durch neue ersetzt werden und deshalb im Untergrund nicht mehr viel übrig bleibt", so Stinnesbeck. "Der Dom ist ja nicht nur die Kölner Bischofskirche, sondern gleichzeitig auch der Schutzbau für dieses Areal." Was soviel heißt wie: Hier konnten nachfolgende Generationen nichts mehr im Untergrund verändern.

Eine Frau steht vor einer alten Steinmauer
Archäologin Ruth Stinnesbeck kennt sich unter dem Dom bestens aus Bild: Suzanne Cords/DW

Zweiter Weltkrieg ermöglicht Ausgrabungen

Die umfangreichen Grabungen begannen 1946. Die Archäologen hätten die antiken Überreste unter dem gotischen Dom gerne schon viel früher erforscht, doch dazu hätte man den Boden des Gotteshauses aufreißen müssen. Das ließen die Domherren nicht zu, weil es den kirchlichen Betrieb zu sehr gestört hätte. Doch ein Jahr nach dem Krieg waren Grabungen sogar erwünscht: "Man wollte prüfen, ob die Fundamente des Doms den Bombenangriff überstanden hatten. Der Dom war schwer beschädigt, der normale Betrieb eingestellt", erklärt Stinnesbeck den Sinneswandel.

Schwarz-Weiß-Foto: Ein Mann sitzt auf einer Treppe bei einer Ausgrabung, neben ihm graben zwei weitere Männer
Der erste Grabungsleiter Otto Doppelfeld mit MitarbeiternBild: Hohe Domkirche Köln, Domgrabung

Auf der Suche nach dem alten Dom

Ursprünglich wollte das Archäologenteam vor allem dem alten Dom auf die Spur kommen, einem Bau aus dem 8. und 9. Jahrhundert. Dessen Existenz war aus historischen Überlieferungen bekannt. Karl der Große, Frankenkönig und späterer Kaiser des Römischen Reiches, hatte um 795 seinen engen Freund und Berater Hildebold zum ersten Erzbischof von Köln ernannt. Und der ließ dort, wo seit dem 6. Jahrhundert eine Taufkirche stand, eine mächtige Kathedrale im romanischen Stil errichten.

Modell des Kölner Doms
Ein Modell des Kölner Doms: Die rötlichen Markierungen zeigen die Umrisse des alten Doms Bild: Suzanne Cords/DW

Klein war er nicht", bestätigt Ruth Stinnesbeck."Er hatte eine Länge von beinahe 100 Metern - und das vor rund 1200 Jahren. Das sind immerhin zwei Drittel der heutigen Kathedrale  - eine der größten Kirchen weltweit."

Römisches dolce vita  

Doch tief unter der Erde stießen die Archäologen nicht nur auf Hildebolds Bau, sondern auch auf viel ältere Zeugnisse der Stadtgeschichte - als Köln noch Colonia Claudia Ara Agrippinensium hieß. Denn dort, wo heute der Dom seine Türme in den Himmel reckt, befand sich einst ein Wohnviertel wohlhabender Römer. Unter dem Dom finden sich noch Reste ihrer luxuriösen Villen, inklusive Wandmalereien auf Marmorgrund und Fußbodenheizung.  "Die Römer haben es sich hier in den kalten Nordprovinzen des Imperiums schon gut gehen lassen", weiß die Archäologin. Und weil die Überreste unter der Erde für das ungeübte Auge nicht ganz so beeindruckend aussehen, lässt sie einen Film vor dem geistigen Auge ablaufen: "Man muss sich jetzt zwei Korbstühle vorstellen, einen kleinen Marmortisch und eine Schale mit Oliven." Die Lage der Villa in Flussnähe, aber erhöht und damit hochwassersicher, war privilegiert. Hier wurde auch Wein, das Lieblingsgetränk der alten Römer, angebaut.

Blick in einen Raum unter der Erde, man sieht an einer Wand gelbe Bemalungen
Die Archäologen legten Reste einer römischen Wandmalerei freiBild: Suzanne Cords/DW
Ein Gitter über Steinstelen, einer römischen Fußbodenheizung
Durch ein Gitter können Besucher die römische Fußbodenheizung bestaunen Bild: Suzanne Cords/DW

Antikes Recycling

Irgendwann allerdings gehörte das Römische Reich der Geschichte an - und damit auch der Stadtname Colonia Claudia Ara Agrippinensium: "Aber die Franken, von denen man unter dem Dom auch steinerne Zeugnisse findet, sind mehr oder weniger nahtlos nachgerückt", sagt Ruth Stinnesbeck. "Das pralle Leben ist, sagen wir mal, ununterbrochen weitergegangen."

Zwei Steinsärge
Grabfunde aus fränkischer Zeit Bild: Suzanne Cords/DW

Relikte aus der Römerzeit halfen dabei: "Als der Dom gebaut wurde, hat man sich der Reste hier bedient: antikes Recycling sozusagen. Wir haben vielleicht das Wort neu erfunden, aber die Weiterverwendung von Baumaterial hat es in allen Zeiten  gegeben." So gelangten grobe Steine aus der Römerzeit als Füllmasse schon ins Fundament des alten Hildebold-Doms. "Feinere Objekte wie Porphyr, einen Schmuckstein in kräftigem Rot oder auch Grün, verwendete man hingegen gern an repräsentativer Stelle weiter", erklärt die Archäologin.

Wie stabil ist der Dom?

Die umfangreichen Grabungen unter dem Dom haben ihrer Zunft viel Wissenswertes über die Antike offenbart, doch so mancher Besucher stellt sich die bange Frage, ob sie womöglich die Stabilität des Doms beeinträchtigen. "Das denkt man im ersten Moment", beruhigt Stinnesbeck, "aber das Gegenteil ist der Fall." Ursprünglich wurde der Boden des Doms einfach auf das Erdreich zwischen den Fundamenten gelegt. Inzwischen wurde eine Spannbetondecke eingezogen, die die Bodenplatten des Doms trägt.

Ein Mann geht durch einen Tunnel mit Bohrrillen
Zwei Tunnel wurden durch das Fundament des Doms gebohrtBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Im Jahr 2008 wurden dann zwei Tunnel durch das mehr als elf Meter dicke Mauerwerk der Kathedrale gebohrt, um den Zugang zum Turm und zum unterirdischen Bereich von außerhalb des Doms zu ermöglichen. "Das klingt im ersten Moment schrecklich, man hat wirklich das gotische Fundamentmauerwerk durchbohrt - aber darüber waren keine Pfeiler."

Die Experten wussten, was sie taten. Seit 2009 können Besucherinnen und Besucher nun den Südturm der Kathedrale besteigen und die Ausgrabungen besichtigen, ohne den Dombetrieb zu stören. Und vielleicht treffen sie dann bei einer Führung auch Ruth Stinnesbeck: "Ich muss ganz ehrlich sagen: Der Dom oben ist natürlich viel beeindruckender, das muss ich auch als Archäologin neidlos anerkennen - aber der Bereich hier unten ist deutlich spannender".

Literarturtipp: Ulrich Back: Archäologie im Kölner Dom. Forschungsergebnisse zu seiner Vor- und Baugeschichte. Kölner Domverlag, 2023. 

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur