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Wie die Römer Urlaub machten

1. August 2023

Tourismus ist keine Erfindung der Neuzeit, schon wohlhabende Römer reisten gern. Sie begaben sich zur Kur nach Griechenland, kritzelten Graffiti auf ägyptische Pyramiden oder vergnügten sich am Golf von Neapel.

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Pyramiden von Gizeh
Reiseziel für betuchte Römer: die Pyramiden von GizehBild: Anton Aleksenko/PantherMedia/imago images

Der Patrizier Gaius Antonius liegt auf der Terrasse seiner prächtigen Villa hoch über dem Golf von Neapel und schaut aufs Meer. Ein Sklave kredenzt ihm Wein und erlesene Speisen. Ein paar Tage zuvor erst ist Gaius Antonius vor der Julihitze Roms auf seinen Landsitz geflohen, der an Luxus und Annehmlichkeiten nichts entbehren lässt. Der Senat des Römischen Reichs macht Sommerpause, Gaius Antonius kann sich ganz der Entspannung und dem guten Leben hingeben. Am Nachmittag erwartet er Gäste; er hat Freunde eingeladen, die heiße Jahreszeit bei ihm zu verbringen. Abends werden sie sich im Kurort Baiae am Golf von Neapel in den Thermen verwöhnen lassen. Wellness wird großgeschrieben im Römischen Reich.

Spätrömische Luxusvilla mit Säulen und Mosaikboden
Die reichen Patrizier besaßen oft mehrere Luxusvillen im ganzen Römischen Reich Bild: Raimund Franken/imageBROKER/picture alliance

Naherholungsziel Nummer Eins: der Golf von Neapel

So wie der fiktive Gaius Antonius mag sich vor 2000 Jahren ein reicher Bürger der Stadt Rom den Sommer versüßt haben. Der Golf von Neapel war das beliebteste Urlaubsziel der Römer, die Oberschicht residierte in Villen am Meer und in den Bergen. "Keine Bucht der Welt kann es mit dem wunderschönen Baiae aufnehmen", schwärmte der Dichter Horaz. Ausflugsboote schipperten übers Meer, und abends traf man sich, so berichtet es der Geschichtsschreiber Plinius der Jüngere, zum opulenten Austernessen.

Blick über grüne Terrassenanlagen aufs Meer
Der Golf von Neapel ist auch heute noch ein beliebtes UrlaubszielBild: K. Thomas/blickwinkel/picture alliance

Doch nicht nur die Reichen machten hier ihren Sommerurlaub, auch weniger gut betuchte Römer zog es an den Golf, sie fuhren nach Tibur (heute Tivoli), Antium (heute Anzio) und Baiae, heute auf dem Meeresgrund versunken. Klassischer Badeurlaub im heutigen Sinn war das nicht, man plantschte zwar am Strand, war aber vor allem an den Heilquellen in den Thermen interessiert. Wer genug Geld hatte, ließ sich dieFundamente seiner Thermen direkt ins Meer bauen, um dann im sicheren und wohltemperierten Becken, umgeben von den Meereswogen, zu schwimmen. Für den römischen Philosoph Seneca war das der Inbegriff der Dekadenz. "Widernatürlich" sei diese Praxis reicher Römer. Baiae war allerdings nicht nur ein Badeort, sondern auch  für Exzesse feierwütiger Urlauber berüchtigt - so sehr, dass Seneca erneut Grund zur Klage hatte: "Wieso muss ich mir Betrunkene ansehen, die die Küste entlangtorkeln, und laute Gelage auf Segelbooten, von denen Musik dröhnt?" Sein Dichterkollege Marcus Valerius Martialis nahm in einem seiner Epigramme den allgegenwärtigen Ehebruch in dem Küstenort aufs Korn: "Keusch war Laevina…Als sie sich aber… in den Wassern von Baiae entspannte, entbrannte sie in heftiger Liebe: Sie verließ ihren Gatten und lief einem jungen Mann nach." 

Schuhe aus Glas
Gewappnet für die Wellness-Oase: Schuhe aus Glas, in deren Sohle man Parfüm einfüllen konnte Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Beschwerliche Reisen

Wer bereit für eine weite Reise war, bewegte sich im riesigen Römischen Reich relativ sicher. Zudem wurde überall Latein gesprochen. Die eigentlich für die römischen Heere gebauten Straßen waren in gutem Zustand, man ging entweder zu Fuß, reiste per Kutsche oder ließ sich in einer Sänfte tragen. Zu Fuß schaffte man bei guter Kondition vielleicht 30 km am Tag, mit dem Wagen bis zu 80 und mit dem Pferd noch etwas mehr. Auf einer Karte der Uni Stanford kann man berechnen, wie lange man von einem Ort des Reichs zum anderen brauchte und dafür Transportmittel und finanzielle Möglichkeiten angeben. 

Die Darstellung einer römischen Reisgruppe von fünf Personen
Diese Reisegruppe aus antiker Zeit wurde im Grab ihres Besitzers gefunden Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance
Römische Straße und Tunnel
Auf Meilensteinen (links im Bild) konnten Reisende die Entfernung zu ihrem Ziel nachlesen Bild: Bildarchiv Steffens/akg/picture alliance

Am Wegesrand standen Herbergen - für Verpflegung war also gesorgt. Viele Römer übernachteten auch auf den Landsitzen vor Ort ansässiger Familien. Das sogenannte "hospitium publicum" (öffentliches Gastrecht) war ein Abkommen zwischen Familien, das die Gastgeber verpflichtete, die Reisenden unterzubringen. Als Zugangsberechtigung diente eine unregelmäßig geteilt Münze, die Gast und Gastgeber zur Kontrolle zusammensetzten.

Wer den Seeweg wählte, konnte gegen ein entsprechendes Entgelt auf einem Handelsschiff mitfahren, klassische Touristenschiffe gab es damals noch nicht. Angst machte vor allem die Seekrankheit, von Piraten waren die Meere weitgehend befreit.

Überall hin - nur nicht zu den Barbaren

Beliebtes Reiseziel war Ägypten, die Pyramiden von Gizeh, die Sphinx oder der Leuchtturm in Alexandria zogen Scharen von Urlaubern an. Aber die Touristen suchten auch Kurorte in Griechenland auf, wandelten auf den Spuren Homers durch Troja oder strömten zu den Schauplätzen berühmter Schlachten - zum Beispiel nach Marathon, wo die Griechen 490 v. Chr. ein persisches Heer besiegten.

Ruinen des Orakel von Delphi vor einem Berg
Das Orakel von Delphi war eine Kultstätte der Griechen und lockte zahlreiche römische Touristen an Bild: Daniel Ferreira-Leites Ciccarino/PantherMedia/picture alliance

Auch damals schon gab es Studienreisen, nach Neapel zum Beispiel oder nach Athen. Lediglich zu den "Barbaren", wie alle Nicht-Römer und Nicht-Griechen genannt wurden, wollte niemand freiwillig reisen. Die alten Heiligtümer Griechenlands hingegen hatten es den römischen Touristen angetan. Lokale Reiseführer klärten darüber auf, was es mit dem Orakel von Delphi oder dem Götterwohnsitz Olymp auf sich hatte, und der griechische Autor Pausanias (110-180 n. Chr.) schrieb einen der ersten "Reiseführer" überhaupt über die Sehenswürdigkeiten seiner Heimat.

Souvenirs, Souvenirs im alten Rom

Wohin es die Reisenden auch verschlug - die Einheimischen witterten das Geschäft mit den wohlhabenden Touristen aus Rom. Und so gab es schon damals alle möglichen Souvenirs zu kaufen, von Pyramiden in Miniaturform über silberne Statuen bis hin zu tönernen Krügen, die mit dem Leuchtturm von Alexandria bemalt waren. Der reiselustige Kaiser Hadrian ging noch einen Schritt weiter: Er ließ in seiner Villa Adriana in Tibur (Tivoli) sogar Miniaturmodelle von berühmten Sehenswürdigkeiten nachbauen.

Szene aus dem Comic Asterix und Kleopatra. Asterix, Miraculix stehen vor einem Stand mit Sphinx-Skulpturen
Auch der Gallier Asterix muss sich für ein Souvenir entscheidenBild: IFTN/picture alliance/United Archives

Doch genau wie heute gab es schon damals Kritik an Fernreisen. So schreibt Plinius: "Wir sind gewohnt, große Reisen zu machen, übers Meer zu fahren, um Dinge kennenzulernen, die wir nicht beachten, wenn wir sie vor der Nase haben."

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur