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Ein Blick auf 2023 für Asiens Schwellenländer

Srinivas Mazumdaru
2. Januar 2023

Für viele Volkswirtschaften in der Region wird das neue Jahr wohl schwierig werden. Einige könnten aber auch profitieren, wenn Unternehmen China den Rücken kehren und andere Investitionsmöglichkeiten suchen.

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Themenbild China & Wirtschaft | Haian, Arbeiterin
Den Volkswirtschaften in Asien steht ein schwieriges Jahr bevorBild: AFP/Getty Images

2022, das Jahr in dem sich die Weltwirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie erholen sollte, war ein schwieriges Jahr für die Volkswirtschaften Süd- und Südostasiens. Der russische Einmarsch in die Ukraine, ständige Probleme mit Lieferketten, die wiederholten Corona-Lockdowns in China und die steigende Inflation dämpften nebst weiteren Problemen die Wachstumsaussichten und brachten Unternehmen und Haushalte in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Die aggressiven Zinserhöhungen, mit denen die US-Notenbank versuchte, die rasant steigende Inflation einzudämmen, führte zur Abwertung mehrerer asiatischer Währungen gegenüber dem US-Dollar. Das verschärfte die Schuldensituation verschiedener Länder, schwächte ihre Kaufkraft und veranlasste ihre Zentralbanken, ihrerseits die Zinsen zu erhöhen, um die eigene Währung zu stützen.

Handelsorientierten ASEAN-Ländern bläst der Wind ins Gesicht

Die steigenden Kosten für den Import von Nahrungsmitteln, Brennstoffen und anderen Gütern haben die Devisenvorräte vieler Länder schrumpfen lassen und Wirtschaftskrisen ausgelöst. In Südasien mussten Sri Lanka und Pakistan bereits die Hilfe des Internationalen Währungsfonds suchen, weil sie in Zahlungsschwierigkeiten gerieten.

Protest in Sri Lanka
In Sri Lanka führten steigende Lebensmittelpreise zu Protesten gegen die RegierungBild: ISHARA S. KODIKARA/AFP

Fachleute gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Situation 2023 schwierig bleiben wird: Da sind die nachlassenden Wachstumsaussichten für die USA, die Eurozone und China und die sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen. Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Asiatische Entwicklungsbank haben ihre Wachstumsprognosen für die Schwellenländer Asiens nach unten korrigiert. Vor allem handelsorientierte Wirtschaften wie Singapur, Thailand, Vietnam und Malaysia werden Vorhersagen zufolge von der Verlangsamung der globalen Expansion betroffen sein.

Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für den Asien-Pazifik-Raum der Investmentbank Natixis, ist überzeugt, dass das Wachstum in der Region durch eine schwächere Auslandsnachfrage und straffere geldpolitische Rahmenbedingungen gebremst werden wird. "Mit nachlassender Auslandsnachfrage sinken die Exporte, so dass wir in diesem Jahr eine weitere Schwächung erwarten", erläutert sie und weist darauf hin, dass die Wirtschaft in handelsorientierten Volkswirtschaften wie Malaysia und Vietnam bereits im November schrumpfte.

Das asiatische Beben

Rajiv Biswas ist Chefvolkswirt bei S&P Global Market Intelligence und teilt ihre Ansicht. Wegen der schlechteren Marktbedingungen in den USA und der EU und der gesunkenen Nachfrage aus China wird seiner Meinung nach Exporten von Industriegütern aus ASEAN-Ländern künftig ein schärferer Gegenwind entgegen blasen. "Für Länder des Verbands südostasiatischer Staaten wie Malaysia, Singapur und Thailand wird 2023 ein moderates Wirtschaftswachstum erwartet, unterstützt durch die anhaltende, wenn auch mäßige, Expansion der Inlandsnachfrage", sagt er zur DW.

China im Aufwind nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen?

Erwartet wird, dass China als größte Volkswirtschaft der Region im Jahr 2023 nur langsam wachsen wird. Die Asiatische Entwicklungsbank senkte ihre Prognose für das Land kürzlich von 4,5 Prozent auf 4,3 Prozent. Die Wirtschaft des asiatischen Riesen wurde hart getroffen, nicht nur durch die strengen Corona-Beschränkungen, sondern auch durch eine Krise seines gewaltigen Immobilienmarktes. Nachdem Peking im Jahr 2020 weitreichende Beschränkungen für die Kreditvergabe eingeführt hatte, konnten Bauträger ihre Kredite nicht mehr bedienen und hatten Schwierigkeiten, Geld aufzutreiben.

Peking versuchte, das Wachstum anzukurbeln, indem es die Leitzinsen senkte und Geld in das Bankensystem pumpte. Nach Jahren immer wiederkehrender Lockdowns, Massentests, langer Quarantänen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung beendete die Regierung im Dezember unvermittelt ihre Null-COVID-Maßnahmen. Einige Einschränkungen bleiben weiterhin wirksam, doch es besteht die Hoffnung, dass die Inlandsnachfrage nach Aufhebung der strengen Maßnahmen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wiederbeleben wird.

Auch vom Tourismus abhängige südostasiatische Staaten wie Thailand dürften davon profitieren. "Die Zahl der Touristen aus ASEAN-Staaten liegt noch immer unter den Zahlen vor Corona, weil chinesische Touristen fehlen", sagt Garcia Herrero. "Zwar erwarten wir nicht, dass chinesische Touristen in gleicher Zahl in ASEAN-Länder zurückkehren wie vor Corona, aber eine Öffnung sollte zu einem Anstieg der Touristenzahlen führen."

Thailand Phuket | Symbolbild Touristen
Die Tourismusbranche in Thailand hofft auf den AufschwungBild: Salinee Prab/AP Photo/picture alliance

Biswas weist darauf hin, dass die Öffnung internationaler Grenzen im Jahr 2022 bereits in vielen Ländern im Asien-Pazifik-Raum einen allmählichen Neustart des internationalen Tourismus möglich gemacht hat und prognostiziert "dass sich die Dynamik in den Volkswirtschaften mit großen internationalen Tourismussektoren wie Thailand, Malaysia, Singapur und den Philippinen im Jahr 2023 deutlich verstärken wird."

Widersetzt sich Indien dem Trend?

Auch Indien, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Region, setzen steigende Zinsen und der sinkende Welthandel zu. Die Erhöhung der Rohöl- und Gaspreise haben zur Verschlechterung der Handelsbilanz beigetragen. Die Verbraucherpreisinflation liegt konsistent über dem Zielwert der Zentralbank von zwei bis sechs Prozent und zwang diese, die Zinssätze im abgelaufenen Jahr mehrmals zu erhöhen und so die Fremdkapitalkosten auf das Niveau vor der Pandemie ansteigen zu lassen.

Indische Währung |
Die indische Zentralbank musste mehrmals die Zinssätze erhöhenBild: Soumyabrata Roy/NurPhoto/IMAGO

"Für das Haushaltsjahr 2023-2024 wird ein anhaltendes Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet, wobei die restriktivere Geldpolitik und die schwächere Auslandsnachfrage das Wirtschaftswachstum bremsen werden", prognostiziert Biwas. Laut Garcia Herrero wird Indien im kommenden Jahr neue Herausforderungen bewältigen müssen, darunter verschärfte Liquiditätsbedingungen, nachlassende Exporte und eine abnehmende Wachstumsdynamik: "Wir gehen davon aus, dass das Wachstum des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2023 auf 6,3 Prozent sinken wird, von 6,9 Prozent im Jahr 2022."

Verlagerung der Investitionen weg von China

Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen zwischen Peking und dem Westen werden Unternehmen Experten zufolge auch 2023 ihre Investitionen außerhalb Chinas diversifizieren, um die in diesem Jahr aufgetretenen Unterbrechungen der Lieferketten zu vermeiden.

"Daten zu den gesamten ADI-Zuflüssen, die nicht nur grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen, sondern auch Neuinvestitionen umfassen, zeigen einen Anstieg ausländischer Direktinvestitionen in Indien, Singapur, Malaysia, Indonesien und Vietnam im Jahr 2022", so Garcia Herrero. "Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt, während China Schritt für Schritt seine Null-COVID-Maßnahmen aufhebt, und so nicht nur der Kapitalzufluss, sondern auch die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Regionen ASEAN und Indien angekurbelt werden."

Dieser Text wurde von Phönix Hanzo aus dem Englischen adaptiert