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Kansas City Chiefs nach 33 Jahren wieder in Deutschland

Jonathan Harding
3. November 2023

Drei Jahrzehnte nach dem ersten Auftritt in Deutschland gewinnt NFL-Champion Kansas City im "Frankfurt Game" gegen die Miami Dolphins. Ex-Star Christian Okoye erinnert sich gut an die historische Berlin-Reise von 1990.

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Spielszene Patrick Mahomes von den Kansas City Chiefs gegen die Miami Dolphins
Patrick Mahomes (r.), Quarterback der Kansas City Chiefs, führte sein Team in Frankfurt gegen die Miami Dolphins zum SiegBild: Arne Dedert/dpa/picture-alliance

Deutschland hat einmal mehr bewiesen, dass es sich zum Football-Land entwickelt hat: Am Sonntag feierten in Frankfurt am Main knapp über 50.000 begeisterte Fans ihre NFL-Helden von Kansas City Chiefs und den Miami Dolphins. Da die überwiegende Mehrheit im Publikum auf Seiten der Chiefs stand, wurde der 21:14-Sieg für den amtierenden Meister der US-amerikanischen Profiliga entsprechend laut bejubelt. Für Patrick Mahomes, den Star-Quarterback der Chiefs, war der Besuch in Deutschland eine Premiere, für sein Team, Super-Bowl-Sieger 2023 und 2020, bedeutete die Reise nach Deutschland dagegen eine historische Rückkehr.

Es war im August 1990, nur zehn Monate nach dem Fall der Berliner Mauer und wenige Wochen vor der offiziellen Wiedervereinigung Deutschlands, als die Chiefs im Berliner Olympiastadion gegen die Los Angeles Rams antraten. Es handelte sich dabei um eine Partie des sogenannten American Bowl, einer Serie von Freundschaftsspielen außerhalb der USA vor dem Beginn der NFL-Saison. Ursprünglich sollte in Frankfurt am Main gespielt werden, wo es eine deutlich größere US-Wirtschafts- und Militärpräsenz gab als in Berlin, jedoch erzwang die Zeitgeschichte eine Planänderung.

Amerikanisches Lebensgefühl 

"Wir beschlossen, das Spiel hier auszutragen, nachdem sich die politischen Ereignisse so schnell entwickelt hatten", sagte NFL-Commissioner Paul Tagliabue damals der "L.A. Times". "Alle drängten uns, das Spiel in Berlin auszutragen, um die Freiheit zu feiern, die im letzten Jahr nach Mitteleuropa kam."

Spielszene Kansas City Chiefs gegen Los Angeles Rams im Berliner Olympiastadion 1990
Erster Auftritt der NFL in Deutschland: Kansas City Chiefs gegen Los Angeles Rams im Berliner Olympiastadion 1990Bild: Hans Joarg Krauss/AP Photo/picture alliance

Die Chiefs verloren dieses allererste Spiel zweier NFL-Teams auf deutschem Boden gegen die Rams zwar klar mit 3:19, doch ging es für die 55.429 Fans um etwas anderes als um die Frage, wer gewinnt. Das Publikum sollte sich von einer neuen Sportart begeistern lassen und den "Amercian Way of Sports" kennenlernen: sogenannte "Tailgating Parties", die Autos Stoßstange an Stoßstange mit feiernden Menschen schon auf den Parkplätzen vor dem Stadion, in der Arena die Cheerleader und die Musik der Beach Boys, die aus den Boxen dröhnte.

Das Football-Spiel bot eine Gelegenheit, einen Hauch amerikanischen Lebensgefühls kennenzulernen - vor allem für diejenigen, die nur wenige Monate zuvor noch auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs gelebt hatten.

Die deutsche Journalistin Irina Prass, die in Ost-Berlin aufwuchs und später Chefredakteurin der "Berliner Zeitung" wurde, wird in der "Washington Post" zu ihren Eindrücken zum Spiel so zitiert: "Ich bin völlig überwältigt. So ein Spektakel. So viele Dinge. So amerikanisch."

Der Trip seines Lebens

Auch für Christian Okoye sind die Bilder aus dem Olympiastadion nach 33 Jahren noch sehr präsent. Der nigerianische Running Back der Chiefs stand damals zwar nur vier Minuten auf dem Platz, weil Starter wie er in der Saisonvorbereitung üblicherweise geschont werden, aber erinnern kann er sich dennoch an vieles, was damals passierte.

Spielszene Christian Okoye von den Kansas City Chiefs gegen die Miami Dolphins im Jahr 1989
Christian Okoye, Running Back der Chiefs - hier 1989 in einem Spiel gegen die Dolphins - war schwer zu stoppenBild: USA TODAY Network/IMAGO

"Ich glaube, sie [die Fans] haben es nicht ganz verstanden, aber sie waren begeistert, dass das Spiel stattfand", erzählt Okoye der DW. Er sammelte aber nicht nur im Stadion, sondern auch in der Stadt Berlin viele Eindrücke. "Es war eine ganz andere Zeit. Die Mauer war gerade gefallen, und es herrschte große Aufregung deswegen", erinnert er sich. "Wir alle nahmen Souvenirs mit nach Hause, Stücke der Mauer. Ich erinnere mich, dass ich mit einer sowjetischen Offiziersmütze nach Hause kam."

Das Wichtigste für Okoye war allerdings die Erinnerung daran, dass der schwarze US-Sprinter Jesse Owens bei den Olympischen Spielen 1936 im von den Nationalsozialisten regierten Deutschland "in diesem Stadion viermal Gold gewonnen hat", sagt Okoye. "Es war ein historischer Moment, dort zu spielen, wo Owens all diese Rekorde aufstellte und wo Hitler auf der Tribüne saß, als er das tat. Das war einer der Momente, die ich für immer mitgenommen habe."

In den Fußstapfen Jesse Owens'

Owens hatte für Okoye auch deswegen eine so große Bedeutung, weil der Nigerianer vor seiner Football-Karriere selbst Leichtathlet war. Anders als Sprinter und Weitspringer Owens, hatte Okoye Talent im Kugelstoßen, Hammer- und Diskuswurf. Als Diskuswerfer hatte er gute Chancen, für sein Heimatland bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles anzutreten, wurde aber nicht nominiert. Daher wandte sich Okoye, der an der Azusa Pacific Universitiy in Kalifornien studierte, bald dem American Football zu. Und obwohl er bis zu seinem 23. Lebensjahr noch nie gespielt hatte, war er am College als Running Back so erfolgreich, dass die Chiefs ihn 1987 im Draft verpflichteten.

Christian Okoye macht bei der Ankunft der Kansas City Chiefs auf dem Flughafen nach dem gewonnenen Super Bowl 2023 Selfie mit Patrick Mahomes und Travis Kelce
Christian Okoye (l.), hier mit Patrick Mahomes (2.v.l.) und Travis Kelce (r.), ist Botschafter der Kansas City ChiefsBild: Ross D. Franklin/AP Photo/picture alliance

Okoye, der in der NFL den Spitznamen "Nigerian Nightmare" bekam, spielte bis zu seinem verletzungsbedingten Karriereende 1992 für die Chiefs und war ein echter Pionier für afrikanische Football-Spieler. Noch heute erhält Okoye, der als Botschafter der Chiefs tätig ist, Anrufe von Spielern aus Nigeria und anderen afrikanischen Ländern, die ihm dafür danken, dass er ihnen die Tür geöffnet hat.

Siegeszug der NFL in Deutschland

Eine Tür ging auch 1990 in Berlin auf, als Okoye mit den Chiefs im Olympiastadion auflief. Das Spiel war die erste von insgesamt fünf American-Bowl-Partien, die bis 1994 in Berlin stattfanden. Es war Teil einer Werbekampagne für die World League of Football, die 1991 startete und später in NFL Europe umbenannt wurde. Von Anfang an dabei war mit den Frankfurt Galaxy auch ein deutsches Team. Später kamen mit Rhein Fire aus Düsseldorf, Berlin Thunder, den Cologne Centurions und den Hamburg Sea Devils weitere hinzu.

Okoye prophezeite 1990 beim Spiel in Berlin, dass es noch viele Jahre dauern würde, bis sich American Football in Deutschland etabliert hätte. 33 Jahre später gibt es eine riesige deutsche Fanbasis, NFL-Spiele werden bereits seit Jahren live im Fernsehen gezeigt. Wenn die Spiele laufen, explodieren die sozialen Medien förmlich, weil die deutschen Fans Spielszenen kommentieren und diskutieren oder sich selbst und die Art und Weise feiern, wie man die Spiele verfolgt.

Das treue und enthusiastische NFL-Publikum in Deutschland ist auch einer der Gründe, warum die Chiefs und die Dolphins in Deutschland gespielt haben. Im vergangenen Jahr erklärte Brett Gosper, NFL-Europachef, gegenüber der Associated Press (AP), dass Deutschland mehr Gelegenheitsfans (17 Millionen) hat als das Vereinigte Königreich. Diese Zahl ist in den letzten zwölf Monaten noch gestiegen, und die Karten für das Spiel Chiefs gegen Dolphins waren in nur 15 Minuten ausverkauft.

Auch die NFL insgesamt hat einen Aufschwung erlebt. Berichten zufolge beliefen sich die Einnahmen der Liga im Jahr 1990 auf rund 1,3 Milliarden Dollar. Heute belaufen sich die Einnahmen der Liga nach Angaben der Sport-Business-Analyseplattform Sportico auf rund 19 Milliarden Dollar.

Riesiger Absatzmarkt

Auch die Chiefs selbst haben sich ihren Trip nach Deutschland einiges kosten lassen: Klub-Präsident Mark Donovan erklärte gegenüber AP, dass das Team eine Million Dollar für die Vorbereitung und Fan-Veranstaltungen rund um das Spiel in Frankfurt ausgegeben hat. Unter anderem charterten die Chiefs ein Schiff auf dem Main, ließen es für das Event umlackieren und richteten dort eine Chiefs-Erlebniswelt ein, in der die Fans unter anderem ein Selfie mit der Super-Bowl-Trophäe machen konnten.

Zwei Frauen in Jacken der Kansas City Chiefs fotografieren Schiff der Kansas City Chiefs, das auf dem Main in Frankfurt festgemacht hat
Auf einem Ausflugsschiff auf dem Main konnten NFL-Fans das "Chiefs Kingdom" betreten und erlebenBild: Michael Probst/AP Photo/picture alliance

Dass Football in Deutschland funktioniert, weiß man spätestens seit dem "Munich Game" des vergangenen Jahres. Damals traten Superstar Tom Brady und die Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks an. Fast 70.000 Fans waren im Stadion. Die Einnahmen durch den Verkauf von Fanartikeln am Spieltag in der Münchener Arena waren Berichten zufolge die höchsten, die jemals bei einem NFL-Spiel außerhalb der USA erzielt wurden.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Investition der Chiefs, die bei deutschen Fans zu den beliebtesten Teams zählen. Noch mehr Anhänger haben Umfragen zufolge die New England Patriots, die am 12. November gegen die Indianapolis Colts das zweite "Frankfurt Game" der NFL-Saison bestreiten werden.

Was gibt es da nicht zu mögen?

Dass die Chiefs so viele deutsche Anhänger haben, liegt auch an ihren Erfolgen der vergangenen Jahre. Eine große Anzahl vorher möglicherweise noch neutraler Football-Fans in Deutschland hat sich von den Leistungen von Quarterback Patrick Mahomes, Tight End Travis Kelce und Co. begeistern lassen, die zu zwei Meisterschaften geführt haben. Als kleiner zusätzlicher "Glamour-Faktor" kommt in den vergangenen Wochen hinzu, dass Kelce derzeit mit Musik-Superstar Taylor Swift liiert ist.

"Wenn du gewinnst und gut bist, lieben dich die Leute, und wir haben den besten Quarterback der Welt", sagt auch Christian Okoye und stellt die Frage: "Was kann man an den Chiefs nicht mögen?"

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert und nach dem Spiel in Frankfurt aktualisiert.