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PolitikIsrael

Drohende Eskalation mit dem Iran: Wie stark ist Israel?

17. April 2024

Israel hat Reaktionen auf den Drohnen- und Raketenangriff des Iran angekündigt und möglicherweise begonnen. Das könnte zu einer Verschärfung der Auseinandersetzungen führen. Wie gut ist Israel darauf vorbereitet?

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Ein Teil des israelischen Flugabwehrsystems Iron Dome in der Negev-Wüste
Ein Teil des israelischen Flugabwehrsystems Iron Dome in der Negev-Wüste Bild: Ahmas Gharabli/AFP

Israel hat nach übereinstimmenden US-Medienberichten den Iran als Reaktion auf dessen Angriff mit einem oder mehreren Flugkörpern beschossen. Iranische Staatsmedien weisen Berichte über Raketenangriffe zurück, melden aber drei Explosionen in der Nähe einer Armeebasis in Isfahan. Die Luftabwehr hätte dabei Drohnen zerstört, Schäden gebe es nicht. 

Kommt es nun zu einer ausgeweiteten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran? Falls ja: Wie wäre Israel darauf vorbereitet? Klar ist, dass Israel mit schwer kalkulierbaren Faktoren rechnen muss - darunter die Frage, ob sich Irans nicht-staatliche Verbündete an der Auseinandersetzung beteiligen. Der wichtigste Verbündete ist die iranisch finanzierte Hisbollah im Libanon. Auch die Huthi-Milizen im Jemen und einige schiiische Milizen im Irak könnten sich in einen bewaffneten Konflikt einschalten beziehungsweise vom Iran als militärische Unterstützer angeheuert werden. 

Auf die Gefahr eines solchen Mehrfronten-Krieges bereite sich Israel seit Langem vor, sagt Arye Sharuz Shalicar, einer der Sprecher der israelischen Armee. Dabei konzentriere man sich vor allem auf drei Aspekte: zunächst den Ausbau der Verteidigungssysteme, insbesondere von Luftabwehr-Systemen wie Iron Dome, Patriot, David's Sling (auch Magic Wand genannt) und des Arrow-Systems. Zugleich entwickele man kontinuierlich die offensiven Fähigkeiten weiter, so Shalicar im DW-Gespräch. "Bei einem Angriff darf man es nicht bei der Verteidigung belassen, sondern muss im Rahmen der Verteidigung in der Lage sein, offensiv zu handeln, gemäß dem Motto, Angriff ist die beste Verteidigung", sagt er. Und als dritte Maßnahme arbeite Israel an einem breiten regionalen und internationalen Bündnis. 

Teile einer iranischen Rakete, die Israel am Wochenende auf dem Militärstützpunkt Julis abgefangen hat
Teile einer iranischen Rakete, die Israel am Wochenende auf dem Militärstützpunkt Julis abgefangen hatBild: Tsafrir Abayov/AP/picture alliance

Vergleichbare Stärke der Armeen

Im Hinblick auf die militärische Schlagkraft insgesamt liegen das israelische und das iranische Militär laut dem Global Firepower Index 2024 nicht allzu weit auseinander. In dem weltweiten Ranking befindet sich der Iran auf Rang 14, Israel folgt auf Platz 17. 

Der Index hat auch einen direkten Vergleich beider Streitkräfte veröffentlicht. Demnach ist der Iran Israel hinsichtlich der personellen Truppenstärke überlegen. Das Gleiche gilt auch für die Zahl der Panzer und bewaffneten Fahrzeuge.

Allerdings kommt es darauf angesichts der geographischen Lage nicht so stark an. Israel und der Iran sind durch andere Länder wie den Irak und Jordanien voneinander getrennt, die Entfernung Jerusalem-Teheran beträgt rund 1850 Kilometer. 

"Tatsächlich würde eine Auseinandersetzung nicht in Form eines klassischen Krieges stattfinden, sondern eher als eine Art Schlagabtausch über große Strecken", meint Fabian Hinz, Nahost-Experte am International Institute for Strategic Studies (IISS) in London. Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den beiden Staaten würde vor allem aus der Luft geführt. 

Scharfe Reaktionen auf iranischen Angriff auf Israel

Wichtige Rolle der Luftstreitkräfte

Gerade bei den Luftstreitkräften ist Israel dem Iran laut Global Firepower Index klar überlegen. Demnach hat Israel 241 Kampfjets, der Iran 181. Insgesamt verfügt die israelische Armee demnach über 612 Luftfahrzeuge, der Iran über 551. 

Jenseits der Zahlen komme es aber vor allem auf die Qualität der Militärflugzeuge an, so Hinz im DW-Gespräch. Flugzeuge spielten im Konfliktfall auf israelischer Seite eine sehr große, vielleicht sogar die entscheidende Rolle, so Hinz. Auf iranischer Seite spielten sie hingegen keine nennenswerte Rolle, da man die Flotte aufgrund von Sanktionen kaum mehr habe erneuern können. Der Iran habe zwar in den 1990er Jahren noch einige Flugzeuge kaufen können und wolle nun auch einige aus russischer Produktion erwerben. "Aber im Grunde weiß man, dass man mit der israelischen Luftwaffe nicht mithalten kann." Darum habe man sich in Teheran vor allem auf die Entwicklung von Flugabwehrraketen und Drohnen konzentriert.

Wie gut diese allerdings einen größeren israelischen Luftangriff abwehren könnten, sei fraglich. "Ich gehe davon aus, dass das nicht sonderlich erfolgreich wäre", so der Experte. "Einen ernstzunehmenden Schutzschild hat der Iran nicht."

Kein absoluter Schutz 

Allerdings habe der iranische Drohnen- und Raketenangriff gezeigt, wo Israel nachbessern müsse, sagt Alexander Grinberg, Iran-Experte beim Think Tank Jerusalem Institute for Strategy and Security. Er verweist auf die dabei eingesetzten Drohnen. Zwar sei es keine sonderlich große technische Herausforderung, diese abzuschießen, so Grinberg zur DW - im Grunde reiche dazu ein einfaches Maschinengewehr. "Aber es kommt eben auch auf die Zahl der Drohnen an. Am Sonntag hat sich gezeigt, dass man auch in der Lage sein muss, einen Angriff von sehr vielen Drohnen abzuwehren. Darauf muss Israel sich einstellen." Einen Teil der angreifenden Flugkörper hatten verbündete Staaten Israels vom Himmel geholt.

Bei dem iranischen Angriff habe sich gezeigt, dass es kein hermetisches, absolut dichtes System gebe, sagt auch Armeesprecher Shalicar. "Ob nun 300 oder 3000 Raketen abgeschossen werden, letztlich werden immer einige den Schutzschild durchdringen. Deswegen lag die Trefferquote am Wochenende nicht bei 100, sondern bei etwa 99 Prozent", so Shalicar. "Wir fangen zwar den Großteil ab, wissen aber, dass wir nie alle werden abfangen können. Umso mehr kommt es hier auf einen funktionierenden zivilen Heimatschutz, also ein Frühwarnsystem und Luftschutzbunker an."

Herausforderung Hisbollah

Eine militärische Herausforderung anderer Art wäre für Israel eine größere bewaffnete Auseinandersetzung mit der Hisbollah. Die oft als "Speerspitze des Iran" bezeichnete Hisbollah sei vermutlich die am stärksten bewaffnete nichtstaatliche Gruppe der Welt, heißt es in einer Studie des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Die EU stuft den militärischen Flügel der Hisbollah, der Israel immer wieder mit Raketen attackiert hat, als Terrororganisation ein.

Videoansprache des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah im April 2024
Die Hisbollah bedroht Israel aus dem Libanon: Videoansprache des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah im April 2024Bild: Hassan Ammar/AP

Schätzungen über den Raketenbestand der Hisbollah schwanken zwischen 120.000 bis 200.000. Im Falle eines Krieges würde der Iran die Miliz rasch mit Nachschub versorgen, so die CSIS-Studie. Der Großteil des Arsenals bestehe aus ungelenkten Kurzstreckengeschossen. Die Miliz habe aber auch ihren Zugang zu Langstreckenraketen enorm verbessert. "Das heißt, dass ein Großteil Israels im Falle einer Eskalation des Konflikts von Hisbollah-Angriffen bedroht sein wird." Zudem könne die Gruppe auch von syrischem Territorium aus agieren.

Gegen Raketenangriffe aus dem Libanon könne Israel das System Iron Dome verwenden, sagt der Experte Fabian Hinz. "Generell sind die Abwehrsysteme jederzeit einsatzbereit, und sie funktionieren hervorragend. Das zentrale Problem scheint mir allerdings die Masse der Raketen zu sein."

 

Dieser Beitrag wurde am 17.04.2024 veröffentlicht. Zwei Tage später wurde der Beginn des Artikels um die aktuelle Entwicklung ergänzt.

 

"Iran will Konflikt mit Israel nicht eskalieren lassen"

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika