1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

NFT-Happening: Wie Damien Hirst Kunst verfeuerte

11. Oktober 2022

Zwei Stunden lang übergab der britische Künstler Damien Hirst rund 5000 gepunktete Papierbilder dem Feuer. Sie sind aber nur physisch zerstört, digital existieren sie als NFT weiter.

https://p.dw.com/p/4I37l
Damien Hirst hält eines der gepunkteten Bilder in den Händen und guckt es an.
Noch einmal begutachten und dann ab in die Flammen: Damien Hirst in LondonBild: HANNAH MCKAY/REUTERS

"Damiens Inferno" nannte ein Zuschauer auf Instagram das NFT-Happening. Damien Hirst - gekleidet in eine silberne Latzhose - betrat mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Feuerwehruniformhosen Dienstagmittag die Räume der Newport Street Gallery in London. Hirsts Outfit erinnerte an eine Mischung aus Astronaut und Kubrick-Bösewicht Alex aus dem dystopischen Klassiker "A Clockwork Orange". Doch die Laune des britischen Künstlers war bestens. Beinahe freudig lief er zwischen einem Tisch, auf dem 4851 Kunstwerke fein säuberlich zu Stapeln geordnet lagerten, und den sechs Kaminen in den Galerieräumen hin und her. Die Live-Übertragung auf Instagram hatte ihre Tücken, das Video ruckelte, während an die 1000 Menschen weltweit beim Event virtuell dabei sein wollten. "Wie ironisch", kommentierte ein User, dass ausgerechnet das Internet so schlecht sei, wenn es um die Digitalisierung von Kunst ging. Zwei Stunden dauerte es, bis das letzte mit bunten Punkten versehene Kunstwerk dem Kaminfeuer übergeben war. Manche nannten es "langweilig", andere beschimpften die Aktion als "sinnlos" oder fanden die Aktion "aufregend".

Künstler Damien Hirst wirft in einer silbernen Latz-Hose Bilder ins Feuer.
Eine Mischung aus Astronaut und Kubrick-Bösewicht: Damien Hirst in SilberBild: HANNAH MCKAY/REUTERS

Qual der Wahl: NFT oder physisches Werk

Damien Hirst machte währenddessen einen gutgelaunten Eindruck. Zuvor hatte er erklärt, dass es sich keineswegs um eine Zerstörung seiner Kunst handeln würde. "The Currency" ist eine Sammlung von 10.000 NFT, die mit 10.000 Originalkunstwerken von Damien Hirst korrespondiert. Ein Jahr lang existierten Hirsts Bilder, die alle unterschiedlich, aber doch sehr ähnlich aussehen, sowohl physisch als auch virtuell. Für je rund 2050 Euro (2000 US-Dollar) konnte man sie erwerben. Bis zum 27. Juli 2022 hatten die Käuferinnen und Käufer die Wahl, entweder die NFT zu behalten oder sie gegen das physische Kunstwerk einzutauschen. Danach war die Umtauschfrist erloschen. Etwas mehr als die Hälfte der Sammlerinnen und Sammler, nämlich 5149, hatten sich dafür entschieden, das physische Kunstwerk zu behalten, und 4851 die NFT. Die Non Fungible Token ermöglichen, aus digitaler Kunst fälschungssichere Unikate zu machen. Das macht sie so begehrt.

Ein Kaminfeuer, indem einige Bilder von Damien Hirst verbrennen.
Medientaugliches Happening: Damien Hirst verbrannte seine Bilder per Live-ÜbertragungBild: HANNAH MCKAY/REUTERS

NFT auf dem Kunstmarkt etabliert

Wer seine NFT in diesem Zeitraum nicht umgetauscht hatte, konnte nun der physischen Vernichtung der Originalkunstwerke zusehen. Diese Life-Performance von Damien Hirst ist ein weiterer medienwirksamer Coup für die in Mode gekommene Kryptokunst. Ein blühendes Geschäft. Im Jahr 2021 waren Non Fungible Token (NFT) wahrscheinlich das angesagteste Thema in der Kunstszene. Spätestens seit dem Verkauf einer digitalen Collage des Künstlers beeple für 69 Millionen US-Dollar bei Christies sind NFT zum absoluten Hype-Thema geworden. Denn wenn ein Traditionsauktionshaus anfängt, NFT zu versteigern, dann merken alle: NFT sind keine neumodische digitale Bastelei, sondern ein ernstzunehmender Artchanger. Immer mehr etablierte Künstlerinnen und Künstler testen seitdem die digitalen Möglichkeiten. Jeff Koons, Marina Abramovic, Erwin Wurm oder Alicja Kwade gehören genauso dazu wie Damien Hirst. "Für mich bleibt es Kunst, egal ob physisch oder digital", sagte Damien Hirst, nachdem er das letzte Bild verfeuert hatte.

Nahaufnahme eines Punktbildes von Damien Hirst, das ins Feuern gelegt wird.
Kleine Punktbilder, von Damien Hirst signiert, gingen in Flammen aufBild: HANNAH MCKAY/REUTERS

Kunst zu verbrennen hat eine Tradition

Die Idee, sein Werk zu verbrennen, ist in der Kunstszene nicht neu. Pionier ist der US-Amerikaner John Baldessari, der alle seine zwischen 1953 und 1966 geschaffenen Malereien 1970 verbrannte, um der Malerei den Pathos zu rauben, wie er damals sein "Cremation Project" rechtfertigte. Am 23. August 1994 verbrannten Bill Drummond und Jimmy Cauty, besser bekannt als die Band "The KLF", auf der abgelegenen schottischen Insel Jura eine Million Pfund. Die Episode gilt als Meilenstein der britischen Pop-Geschichte. Und auch das Verbrennen von Kunst, um sie digital wiederauferstehen zu lassen, ist nicht neu. Ein Original-Kunstwerk des berühmten britischen Straßenkünstlers Banksy mit dem Titel "Morons" wurde von einer Gruppe von Sammlern und Investoren verbrannt und in ein NFT umgewandelt.

Für Damien Hirst hat sich sein medienwirksames Happening jedenfalls gelohnt - er konnte mit "The Currency" (dt.: Währung) mehr als zwei Millionen Euro umsetzen. Da hat sich der Versuch, es mit der neuen Währung NFT aufzunehmen, mehr als rentiert.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion