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Gesellschaft

Adidas wirbt mit nackten Busen für Sport-BHs

Gaby Reucher | Verena Greb
11. Februar 2022

24 nackte Busenpaare prägen eine Werbekampagne für Sport-BHs des Sportkonzerns Adidas. In den sozialen Netzwerken sind die Reaktionen darauf kontrovers.

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Joggende Frau mit Sport-BH (nur Torso)
Viele Frauen tragen noch immer die falschen Größen bei Sport-BHs. Der Konzern Adidas will mit seiner Kampagne darauf aufmerksam machenBild: Westend61/imago images

Es sind ganz normale Brüste, die der deutsche Konzern Adidas in seiner neuen Werbekampagne für Sport-BHs zeigt. Warum man das betonen muss? Weil auch in Zeiten, in denen mehr Diversität propagiert wird, silikonunterfütterte Idealmaße auf Zeitungscovern und in Werbekampagnen Konjunktur haben. Adidas präsentiert auf Instagram unter seinem Account @adidaswomen von 24 Frauen nur den Oberkörper: in verschiedenen Hautfarben, die Brüste unterschiedlich groß und geformt. Ein durch Silikon zu einem "Normbusen" getrimmtes Exemplar scheint nicht dabei zu sein.

Viele Userinnen wie Harsha reagieren auf Twitter aus rein praktischen Gründen positiv darauf: "Ich liebe diese Kampagne und freue mich auf einen BH, der passt und bequem ist!". Ähnlich pragmatisch sieht es auch "compinstructor1": "Sind wirklich alle Frauen darüber schockiert? Ich nicht. Mir fällt es schwer, bequeme Sport-BHs zu finden. Wenn sie einen für mich haben, bin ich dabei."

Geteiltes Echo für Adidas BH-Kampagne

Mit Sportschuhen wurde die Marke Adidas weltweit bekannt. Heute gehört der Konzern laut dem Marktforschungsinstitut "Brandwatch" zu den sichtbarsten deutschen Marken auf Twitter, besonders mit seiner Werbung für T-Shirts. Seit der Sportkonzern die Kampagne für die neue Sport-BH-Kollektion am 9. Februar gestartet hat, reißen die Kommentare in den sozialen Netzwerken nicht ab. Das Echo ist weltweit geteilt, getwittert wird auf Englisch.

"Ich verstehe das", schreibt jlboyd_uof, "aber sowas grenzt an Pornografie. Vielleicht wären Bilder von Frauen mit BHs besser."

Userin Nnedi sieht das anders und schreibt: "Viele Reaktionen auf die Adidas BH-Werbung sind seltsam. Wenn Brüste auf eine nicht-sexuelle Art gezeigt werden, drehen die Leute durch. Ich frage mich, warum. Werdet erwachsen und entwickelt euch weiter!

Mit Humor nimmt es "Crollbroll" und fragt: "Ich bin verwirrt. Sind die Büstenhalter, die Sie verkaufen, unsichtbar?"

Diversität und Body Positivity: Neue Schönheitsideale

Dass die Models die BHs auch tragen, beweist ein gesonderter Werbefilm. Beteiligt war daran auch das erfolgreiche britische Model Elli Goldstein. Goldstein, die mit dem Downsyndrom zur Welt kam, stand international für Modemarken Modell - etwa für Gucci.

Sich entgegen lang proklamierter Schönheitsideale, die oft unrealistisch und diskriminierend waren, im eigenen Körper wohl zu fühlen, darauf setzt die Werbung inzwischen häufiger. Body Positivity und Diversität sind die Schlagworte. Beispiele finden sich etwa bei den Kampagnen der zu Unilever gehörenden Marke Dove für Körperpflegemittel und des Sportartikel-Herstellers Nike aus dem Jahr 2017.

Plakatwand zeigt Dove-Kampagnenbild mit Frauen in Unterwäsche, darüber steht "Immer noch keine Models, aber straffe Kurven"
Dove setzt auf Body Positivity, bezeichnet sein Models aber nicht als "Models"Bild: Thomas Bartilla/akg-images/picture-alliance

Dove lancierte eine Fotokampagne mit 32 Frauen zwischen 11 und 71 Jahren, die aus mehr als 15 Ländern kamen. Das ganze wurde begleitet von einem Bildungsprogramm für junge Frauen, das "Self-Esteem Project". Nike wiederum brachte zusammen mit muslimischen Spitzensportlerinnen den "Pro Hijab" oder auch Burkini auf den Markt, einen Ganzkörper-Badeanzug samt Kopfbedeckung, gedacht vor allen Dingen für muslimische Frauen.

Auf einer Bühne stehen zwei Models in pinken Kleidern rechts und links neben Heidi Klum
Model-Mama Heidi Klum will mit ihrer Show Diversität in den Mittelpunkt rückenBild: Florian Ebener/Getty Image

Auch das umstrittene TV-Format "Germany's Next Topmodel" von Heidi Klum setzt seit einigen Ausgaben verstärkt auf einen divers erscheinenden Cast. Die Webseite des ausstrahlenden Senders ProSieben lässt verlauten, dass die aktuellen Kandidatinnen "so divers wie noch nie" seien und - egal, ob jung oder etwas älter, mit Kurven oder ohne, klein oder hochgewachsen - "Body Positivity und Selbstwertgefühl" vermitteln sollen.

Wieviel Haut darf man zeigen?

Adidas präsentiert das Kampagnenbild mit den verschiedenen Brüsten über seinen Account @adidaswomen auf Instagram in einer retuschierten Version. Es hätte "angepasst" werden müssen, schreibt der Konzern auf einen Kommentar. Darin hatte sich ein User aufgeregt, dass das Foto ursprünglich nicht geteilt werden konnte. Die Webseite der Fotografin Sophie Ebrard zeigt die Collage unterdessen weiterhin in der Originalversion. Auf den Werbeplakaten, die sogar hauswandgroß sind, wurden die Brustwarzen ebenfalls nicht retuschiert.   

In den USA gelten Bilder von entblößten Brustwarzen als unsittlich. 2004 sorgte der Busenblitzer von Janet Jackson bei einem Auftritt mit Justin Timberlake beim Super Bowl unter dem Namen "Nipplegate" für Furore. Großereignisse in den USA werden seither von den großen Fernsehsendern um einige Sekunden verzögert ausgestrahlt. 

Plattformen wie Instagram, die in den USA angesiedelt ist, und andere regeln qua "Gemeinschaftsrichtlinien" , was erlaubt ist und was nicht. Nacktheit ist in den meisten Fällen - Gemälde sind ausgenommen - unerwünscht. Während männliche Brüste aber gezeigt werden dürfen, darf die weibliche Brust nur in bestimmten Situationen dargestellt werden. Erlaubt sind diese Aufnahmen zum Beispiel "im Kontext des Stillens, einer Entbindung und der Momente danach, in gesundheitsbezogenen Kontexten". 

Diverse Unterwäsche für Männer?

Viele User spielen mit ihren Kommentaren zur Adidas-Kampagne darauf an, ob der Konzern die Werbung auf diese Art auch mit Männern gemacht hätte. Wie etwa Angelique Stidhum:

"Ich habe noch nie eine Unterwäsche-Kampagne mit verschiedenen Formen und Größen entblößter männlicher Körperpartien gesehen. Ich verstehe das 'Brust Bingo' nicht, außer der Brusttypus wird auf dem BH mitgeteilt. Aber das machen sie nie, während wir uns also für den BH-Kauf weiter diese passgenaue Methode wünschen, können alle daran vorbei fahren und glotzen."

Und Timidi Diga treibt es noch weiter:

"Zeigen Sie uns auch Penisse (beschnitten und unbeschnitten) in verschiedenen Formen und Größen für das Hosen-/Boxer-Set?"

Gezielter Aufreger mit Kalkül?

Von seinem Twitteraccount hat Adidas das große Bild, dass es auch als Plakat gibt, bereits entfernt, stattdessen erscheint ein Video mit den Frauen, die einen jeweils passenden Sport-BH tragen. Manche munkeln, das sei genau so beabsichtigt gewesen, ein kurzer schneller Werbeeffekt vor der Zensur oder einem Shitstorm. "Impossible is nothing" heißt der passende Werbespruch dazu.

Die Aufmerksamkeit ist geglückt: Auf Instagram hat der Post von @adidaswomen, der besagtes Bild verpixelt zeigt, allein binnen eines Tages knapp 70.000 Likes erhalten. Dabei wird in den sozialen Netzwerken unter den Hashtags #BoycotAdidas, #BlackLivesMatter und #IStandWithZouma bereits ein neuer Aufreger diskutiert: Ob der Rauswurf des Fußballers Kurt Zouma als Werbeikone des Sportartikelherstellers etwa rassistisch motiviert gewesen sein könnte, fragen sich da einige.

Dabei soll der französische Spieler, der bei West Ham unter Vertrag steht, eine Katze misshandelt haben, woraufhin Adidas den Sponsoring-Vertrag kündigte.