Es gibt keine Patentlösung für den Journalismus, aber Podcasting hat die Produktion, Distribution und den Konsum journalistischer Inhalte revolutioniert. Podcaster Paul McNally teilt seine Erkenntnisse.
DW Akademie: Was sind die Vorteile von Podcasting im Vergleich zum Radio?
Paul McNally: Das Radio bietet enorme Möglichkeiten für die Menschen, vor allem lokale Community-Sender. Aber auf der anderen Seite halten sie die Leute auch davon ab, sich zu beteiligen und sich zu äußern. Podcasting hat diesen Prozess wirklich demokratischer gemacht.
Radiostationen sind zum Beispiel sehr männerlastig. Ich habe in Südafrika noch keine Sendermanagerin kennengelernt, zumindest nicht bei einem Gemeinschaftssender. Das strukturell zu ändern, ist eine größere Herausforderung als ein Medium zu schaffen, mit dem die Leute in ihrem eigenen Schlafzimmer podcasten und aus eigener Kraft ein Publikum und ein Vertriebsmodell finden können.
Was sind die größten Herausforderungen beim Podcasting?
Ich denke, es gibt gute Möglichkeiten, Podcasts zu produzieren, die ein interessiertes Publikum finden. Aber dann mit Radiosendern zusammenzuarbeiten, um diese Inhalte zu senden und sie in sehr ländliche Gebiete zu bringen, da gibt es immer noch Hindernisse.
Wir sind was den Inhalt betrifft sehr frei und die Leute können quasi unaufhörlich Podcasts machen. Die Herausforderung liegt auf der anderen Seite, auf der Seite des Konsums, denn immer noch sind mobile Daten sehr teuer und für viele Menschen unerschwinglich. Wir müssen mehr tun, um Podcasts zugänglicher zu machen, um es den Menschen zu erleichtern an die Inhalte heranzukommen.
Und was sind Ihre Lösungen?
Podcasts sind immer noch vor allem für junge Leute interessant – und Podcasts auf YouTube beispielsweise sogar für eine besonders junge Zielgruppe. YouTube ist nach wie vor eine App, die auf den meisten Handys bereits beim Kauf vorinstalliert sind. Das macht sie sehr niedrigschwellig, vor allem wenn es darum geht, Inhalte an benachteiligte und schutzbedürftige Menschen zu bringen.
Wir (von ‘Develop Audio’; Anm. d. Red.) hatten auch einige Erfolge mit Podcasts, die über WhatsApp als Sprachnotizen verbreitet wurden. WhatsApp ist in vielen afrikanischen Ländern die Nummer eins und die Leute sind sehr, sehr begeistert davon, dass sie ihre Inhalte über die Plattform liefern können, über die die Leute sowieso einen Großteil ihrer Nachrichten beziehen.
Natürlich gibt es Einschränkungen in Bezug auf Länge und Komplexität, da das Audio komprimiert wird. Leider kann man auch nicht wirklich feststellen, ob die Leute es sich angehört haben. Auf der anderen Seite könnten sie es aber auch hunderte Male an alle ihre Kontakte weitergeben, ohne dass man es merkt.
Interessant ist auch die Tatsache, dass die Hörerinnen und Hörer sofort Feedback geben können. Wenn ihnen ein Podcast gefällt, können sie das einfach direkt über den Messenger antworten. In einigen afrikanischen Ländern kann man WhatsApp-Datenpakete kaufen, für die man einmal zahlt und den ganzen Monat unbegrenztes Datenvolumen hat. Alles, was die Leute über WhatsApp konsumieren, ist dann also bereits bezahlt. Das ist ein enormer Vorteil für Content Creators: Die Leute müssen nicht zusätzlich zahlen.
Was sind die Themen, mit denen Sie sich beschäftigen?
Ich mag es nicht, Dinge in eine Schublade zu stecken, wie 'das oder das müssen die Themen sein'. Wir (von ‘Develop Audio’; Anm. d. Red.) haben einige Podcast-Serien gemacht, die sich mit Korruption und Morden befassen. Das sind besonders in Südafrika riesige, wachsende Probleme. Wir haben auch an einer Serie über die Rechte von LGBTQ+ Menschen in Nigeria gearbeitet, was eine große Herausforderung war. Andere Arbeiten befassten sich mit Journalismus im Südsudan. Wir interessieren uns sehr für die Sicherheit von Medienschaffenden in Afrika. Es ist sehr schwierig, dieses Thema zu beleuchten, weil die Journalistinnen und Journalisten, über die man gerne berichten würde, oft nicht frei sprechen können und manchmal sogar um ihr Leben fürchten.
Aber ich glaube, dass man jede Recherche mit den richtigen Mitteln, dem richtigen Drehbuch und der richtigen Erzählweise, in eine Podcast-Serie verwandeln kann.
Themen, die die LGBTQ+ Gemeinschaften in afrikanischen Ländern betreffen, können für Journalistinnen und Journalisten auf dem Kontinent eine große Herausforderung darstellen.
Was ist das Geheimnis des Erfolgs langformatiger Podcasts?
Man will die Zeit der Leute nicht verschwenden. Ich denke, das ist das Wichtigste. Wir leben in einem Zeitalter, in dem einige Podcasts drei Stunden lang sind – einige davon sind sehr erfolgreich. Das hat eine Atmosphäre geschaffen, in der viele das Gefühl haben, dass sie ihren Podcast nicht schneiden müssen. Und das ist irgendwie faszinierend, wo wir in einer Zeit leben, in der die Menschen eine unglaublich niedrige Aufmerksamkeitsspanne haben und andere sagen, alles muss 15 Sekunden lang sein.
Aber die Leute können Geschirr abwaschen, sie können joggen gehen, Auto fahren oder etwas anderes machen, während sie Podcasts hören – nur nichts anderes mit Medien. Sie können nicht nebenher ein zweites Medium konsumieren. Da herrscht eine gewisse Konkurrenz, dessen muss man sich also bewusst sein.
Kann man als Journalistin oder als Journalist vom Podcasting leben?
Wenn man sich eine erfolgreiche Monetarisierung ansieht, geht es wirklich um den Aufbau einer Community. Die meisten kleinen Medienhäuser gehen in diese Richtung und das ist auch der Grund für ihren Erfolg.
Wenn es gelingt, ein Publikum zu finden und direkt mit ihm zu kommunizieren, wenn es das Gefühl hat, Teil von etwas zu sein und etwas beitragen zu können, dann ist es wahrscheinlicher, dass die Menschen Geld zahlen. Der Aufbau einer Community kann in einer Newsletter-Liste bestehen oder wie in afrikanischen Ländern in einer WhatsApp-Gruppe. Und wenn man erst einmal anfängt, seine Inhalte auf diese Weise zu verbreiten, dann ist man vielleicht nur noch ein paar Schritte davon entfernt, zu sagen: „Möchten Sie dafür ein paar Dollar bezahlen?“ Und wenn man sein Publikum auf diese Weise vergrößern kann, dann glaube ich, dass sich daraus auch eine Einnahmequelle ergibt.
Wenn man mit Podcasting seinen Lebensunterhalt bestreiten will, braucht es aber mehr als ein paar Dollar. Das betrifft jedoch nicht nur Podcasts, das betrifft letztlich alle Medien. Die Wahrheit ist, dass diese Art von langwierigen Recherchen so viel Zeit in Anspruch nehmen – noch bevor man mit der eigentlichen Arbeit am Podcast beginnt. Das kostet ein Vermögen. Wenn man aber in der Lage ist, die Recherchen in einem Format wie einem langen Artikel zu veröffentlichen, an dem vielleicht eh schon gearbeitet wurde, und der Podcast ist ein weiteres Format, dann ermutigen genau dazu.
Das Interessante am Podcasting ist, dass es ein paar sehr große Namen gibt, die eine Menge Geld verdienen.
Das 'MethodKit for Podcasts' der DW Akademie wurde mit internationalen Expertinnen und Experten entwickelt, um die Entwicklung und Produktion von Podcasts zu unterstützen.
Was sind Ihre wichtigsten 'Dos' beim Podcasten?
Man sollte nicht aufhören. Vor allem, wenn man etwas zum ersten Mal macht, sollte man weitermachen. Es gibt so viele Podcasts, die nur eine Folge haben. Es ist gut zu wissen, ob man eine wöchentliche oder eine aktuelle Sendung macht. Und man sollte nicht enttäuscht sein, wenn man nicht viel Publikum hat oder wenn der Podcast nicht so gut klingt, wie man es sich vorgestellt hat. Aber vor allem bei längeren investigativen Podcasts empfehle ich, auf die Audioqualität zu achten.
Man kann außerdem eine gute Geschichte haben und sie sehr schlecht erzählen. Dann schalten die Leute nach fünf Minuten ab. Man sollte also Cliffhanger und Wendungen nutzen, die an sich sehr klein sein können, aber man macht eine große Sache daraus. Das ist diese Fähigkeit, den Fokus von etwas, das sehr wichtig ist, auf etwas, das nicht so wichtig ist, zu verschieben. Das haben Journalistinnen und Journalisten schon immer getan. Sie spielen immer mit einer emotionalen Erzählweise. Deshalb schenken Hörerinnen und Hörer ihre Aufmerksamkeit und gehen mit der Geschichte mit. Man muss es mit Selbstvertrauen und Überzeugung tun. So hält man die Leute beim Zuhören.
Und nicht zuletzt: Viele Leute, die einen investigativen Podcast machen wollen, haben noch nicht allzu viel von diesem Format gehört – aber man muss sich alle Podcasts anhören, die es gibt.
Der südafrikanische Journalist und Medienunternehmer Paul McNally ist der Gründer von ‘Develop Audio’, einer Organisation, die ein Netzwerk für Podcasterinnen und Podcaster in Afrika aufbaut und investigative Podcasts von höchster Qualität erstellt – mit dem Schwerpunkt auf sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Korruptionsberichten. Gemeinsam mit der DW Akademie hat McNally den ‘Podcast Knowledge Guide’ erstellt. Es ist eine Einführung in die Erstellung von Podcasts, die Tipps und Tricks bietet, brennende Fragen beantwortet und auf häufige Fehler hinweist. Er basiert auf dem ‘MethodKit for Podcasts’ der DW Akademie. Er ist auch der Gründer von ‘Develop AI’, einer Organisation, die über Künstliche Intelligenz (engl. Artificial Intelligence, kurz AI) in Afrika berichtet sowie Journalistinnen und Journalisten im verantwortungsvollen Umgang mit ihr schult.