Asien ist besonders stark von Flucht und Migration geprägt. Doch Medien berichten oft einseitig; wichtige Geschichten bleiben unerzählt. Bei einer Konferenz in Thailand diskutierten 80 Fachleute über Verbesserungen.
Unter den zahllosen furchtbaren Nachrichten aus dem Krieg gegen die Ukraine war dies nur eine kleine Fußnote – aber ein Drama für die Betroffenen: Junge Männer aus Nepal, die einen Job bei der russischen Armee angenommen hatten, wurden gegen ihren Willen als Soldaten an die ukrainische Front geschickt. Sie wollten eigentlich nur etwas Geld im Ausland verdienen; plötzlich befanden sie sich völlig unvorbereitet mitten in einem Krieg. Einige wurden bereits getötet.
Aufgedeckt hat dies der nepalesische Investigativjournalist Rajneesh Bhandari. Der preisgekrönte Reporter recherchiert oft zu moderner Sklaverei, auch in Bezug auf nepalesische Arbeitssuchende: "Ich will das bekannt machen, damit die Verantwortlichen bestraft werden."
Ebenso wie Indien oder Bangladesch "exportiert" Nepal Arbeitskräfte in andere asiatische Länder, in die Golfstaaten – und nach Russland. "Wir haben in Nepal eine relativ unabhängige Presse", sagt Rajneesh Bhandari. "Diesen Freiraum nutzen wir, um üble Geschäftspraktiken und Ausbeutung aufzudecken."
Viele nepalesische Arbeitsmigranten ziehen nach Malaysia; sie finden Beschäftigung auf dem Bau, als Wachleute oder in Fabriken.
Die Journalistin Hui Kee arbeitet bei der chinesischsprachigen Zeitung Sin Chew Daily in Malaysia und berichtet häufig über die Arbeitsbedingungen prekär Beschäftigter aus dem Ausland. "Das ist schwierig zu recherchieren", erklärt sie. "Die Arbeiter haben Angst; sie stehen unter Beobachtung der Firmen."
Afrit Wira Buana aus Indonesien geht in ihren TV-Reportagen über Geflüchtete einen anderen Weg – sie setzt auf einen positiven Blick: "Erfolgsgeschichten über geflüchtete Frauen inspirieren alle Frauen", meint sie. Nach ihrer Reportage über eine afghanische Karatelehrerin in West-Java habe es eine Welle der Solidarität gegeben, erzählt die Fernsehjournalistin.
Anfang November trafen sich Rajneesh Bhandari, Hui Kee und Afrit Wira Buana im nordthailändischen Chiang Mai mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern Asiens, um über Berichterstattung zu Flucht und Migration zu diskutieren. Die Konferenz "Beyond Borders: Exploring forced migration reporting and dialogue in Asia", ausgerichtet von der DW Akademie, brachte rund 80 Medienschaffende, Forschende sowie NGO-Mitarbeitende zusammen.
Einer der Schwerpunkte: "Wir müssen das Narrativ über Flucht und Migration ändern", sagt Andrea Marshall, Projektleiterin "Displacement and Dialogue Asia" bei der DW Akademie. "In den Medien werden Geflüchtete meist entweder als Opfer oder als Kriminelle dargestellt. Das entspricht nicht der Realität und verstärkt nur Vorurteile." Die Betroffenen sollten vielmehr die Gelegenheit bekommen, für sich selbst zu sprechen.
Die junge Rohingya-Aktivistin Noor Azizah spricht in Chiang Mai über die Fluchterfahrung ihrer Familie.
Welche Kraft Geschichten von Betroffenen entfalten können, zeigte die Rede der Keynote-Speakerin Noor Azizah, eine junge Rohingya-Aktivistin, die sich für die Belange der stark verfolgten und staatenlosen Rohingya-Minderheit aus Myanmar einsetzt. Sie berichtete, wie sie als Kind mit ihrer Familie aus Myanmar flüchten und über Jahre versteckt im Dschungel in Malaysia ums Überleben kämpfen musste. Über eine Million Rohingya leben weiterhin unter schwierigsten Umständen in großen Camps in Bangladesch, mit wenig Chancen, in absehbarer Zeit dort herauszukommen. Noor Azizah, die auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berät, forderte die Teilnehmenden auf, verstärkt über vertriebene Minderheiten zu berichten.
Bei der Konferenz diskutierten außerdem Führungskräfte asiatischer Exilmedien über ihre Herausforderungen. Diese Medien sind als einzige noch in der Lage, kritische Berichterstattung aus und über ihre Heimatländer Myanmar und Afghanistan zu veröffentlichen. Aber ihre Mitarbeitenden leben gefährlich; die Finanzierung der Medien ist langfristig unsicher, auch wenn die Arbeit international hoch geschätzt wird.
„Für mich war die Konferenz sehr nützlich“, meint die indonesische Journalistin Afrit Wira Buana: „Mein Sinn für Storytelling ist geschärft.“