Die tansanische Regisseurin Priscilla Marealle und weitere afrikanische Filmemacherinnen und Filmemacher erhalten Unterstützung durch den Film Development Fund der DW Akademie.
Arusha ist mit seinen rund 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eine pulsierende Großstadt im Norden Tansanias. Sie ist benannt nach der Volksgruppe der Massai, die in dieser Region lebt. Hier, am Fuße des Mount Meru, spielt die Geschichte des 16-jährigen Saitoti, einem wissenschaftlich begabten jungen Massai. Um seine kranke Großmutter zu unterstützen, will er den ersten Preis bei einem nationalen Wissenschaftswettbewerb gewinnen. Priscilla Marealle schrieb die Geschichte zu „Space Maasai“ und führte selbst Regie. Die aufstrebende junge Filmemacherin aus der Region zählt zu den ersten Empfängerinnen des DW Akademie Film Development Funds in Tansania.
"Die Massai sind auf der ganzen Welt bekannt", sagte Marealle im Rahmen ihrer Filmbesprechung. "Sie haben eine reiche Kultur, beeindruckende Tänze und Traditionen. Und viele von ihnen sind Träumerinnen und Träumer. Es ist Zeit, auch diese Geschichten zu erzählen. Und ich kann diese Geschichten fühlen."
Der Film erzählt in Teilen auch die Geschichte der Regisseurin selbst. Kurz nach ihrem Schulabschluss nahm sie an einem internationalen Raumfahrt- und Wissenschaftswettbewerb teil, es ging um Satelliten und die Frage, wie sie den afrikanischen Kontinent beeinflussen. Marealle gewann, und durfte daraufhin zusammen mit ihrem Vater zur südafrikanischen Weltraumorganisation SANSA reisen. Dort sammelte sie viele neue Eindrücke und wollte darüber sprechen, auch um andere junge Menschen in ihrem Land zu ermutigen und zu inspirieren.
Der Film "Space Maasai" der tansanischen Filmemacherin Priscilla Marealle erzählt die Geschichte von Saitoti, einem 16-jährigen Massai, der einen Wissenschaftswettbewerb gewinnen will, um seiner kranken Großmutter zu helfen.
Damit öffneten sich für Marealle neue Türen. An ihrem letzten Tag in Südafrika besuchte sie die Multichoice Talent Factory, eine Initiative zur Ausbildung und Förderung junger Film-Talente auf dem afrikanischen Kontinent, und bewarb sich mit einer Geschichte über ein Massai-Mädchen. Es sollte ihr erster Kurzfilm werden – und der Beginn ihrer Karriere als Filmemacherin.
Sie erhielt einen Platz an der Multichoice Talent Factory in Nairobi, doch an ihrem ersten Tag wusste sie weder, was ein Filmset ist, noch kannte sie sich mit der Arbeit hinter der Kamera aus. Ihr Weg hatte sie direkt von Schule nach Nairobi geführt, damit war sie eine der jüngsten Teilnehmerinnen in der internationalen Gruppe von Kreativen aus Uganda, Kenia und Äthiopien.
Marealle lernte schnell dazu, und erhielt die Möglichkeit, Online-Kurse an der New York Film Academy zu besuchen. Hier machte sie ihren Abschluss in Regie und Cinematografie.
Gemeinsam mit den tansanischen Alumni der Multichoice Talentwerkstatt produzierte sie ihren ersten Kurzfilm in Tansania. Der Film "Johari" erzählt die Geschichte einer jungen Tänzerin, die aufgeht in der modernen Welt, in der modernen Kultur und im Modern Dance, entgegen dem Wunsch ihres Vaters, der sie immer wieder an ihre Wurzeln erinnert.
"Als wir begannen, diese Geschichte zu erzählen, fanden viele das Thema schwierig. Tansanische Filme beschäftigten sich selten mit Tanz", sagte Marealle. "Aber ich hatte das Bedürfnis, meiner Gesellschaft etwas ganz Neues zu zeigen und zu erklären!"
Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne beschäftigt Marealle seit ihrer Kindheit. Sie wuchs in Kisongo auf, einem Verwaltungsbezirk im Gebiet der Massai. Sie ging zusammen mit Massai-Mädchen zur Schule, doch nachmittags traf man sich nie. Sie fragte sich, wo die Menschen waren, und wie sie ihren Alltag verbrachten.
Schließlich lieh sie sich von einer Freundin ein Smartphone und filmte ein Massai-Mädchen, ohne genau zu wissen, wie eine Kamerafrau arbeitet, aber dafür mit einer Geschichte im Kopf, die sie erzählen wollte. Sie filmte das Mädchen dabei, wie sie vor der Schule eine Kuh molk. Dabei wurde sie sich ihrer eigenen Privilegien bewusst – und entschied, diese zu nutzen, um anderen Menschen zu helfen und ihre Geschichten sichtbar zu machen.
Willy Nkya, Produzent von "Johari" und "Space Maasai", sieht in Marealle eine junge Filmemacherin, die gerade dabei ist, ihre künstlerische Stimme zu finden und einen ganz eigenen Stil zu entwickeln: eine Mischung aus Kultur, Moderne und Technik, die er als "futuristisch" beschreibt. Ihr Ehrgeiz sei bewundernswert, und ebne neue Wege für die Industrie. Er sei überzeugt, dass ihre einzigartige Perspektive und ihr Stil das Filmemachen revolutionieren werde.
Amil Shivji, ein tansanischer Berater des Teams Kreativwirtschaft der DW Akademie und Regisseur des Films "Tug of War", sieht eine neue, aufstrebende Generation von Filmemacherinnen und Filmemachern in Tansania, die Filme für ein großes Publikum produzieren und dabei mit neuen Genres und Stilen experimentieren wollen.
Trotz allem gebe es die Gefahr, die Fehler der letzten Generation von Filmemacherinnen und Filmemachern zu wiederholen, und Quantität vor Qualität zu stellen. Es bräuchte zwar mehr Filme und neue Talente, die unterstützt werden, so Shivji. Es fehle jedoch häufig an Mentorinnen und Mentoren und Beratungsmöglichkeiten.
Hier spielt der DW Akademie Film Development Fund eine entscheidende Rolle. Der Fund wurde entwickelt, um ostafrikanische Filmemacherinnen und Filmemacher dabei zu unterstützen, ihren Stimmen Gehör zu verschaffen und ihre Geschichten zu erzählen. Ziel ist die Stärkung von Meinungsfreiheit und sozialem Wandel. Für Shivji liegt die Besonderheit des Film Funds außerdem in seiner politischen Unabhängigkeit und in der Unabhängigkeit von einem Markt, der oberflächliche Mainstream-Inhalte fördert.
Marealle lernte erst durch den Fund die einzelnen Schritte der Filmproduktion kennen – und vor allem die wichtige Filmentwicklungsphase. "Es war eine großartige Möglichkeit, denn ich hatte bereits den Titel, ich hatte die Idee, aber ich konnte auf diese Art und Weise ganz tief in die Entwicklung der Geschichte einsteigen, der Charaktere, der gesamten Rahmenhandlung." Außerdem nutzte sie die Zeit und das Geld, um sich näher mit den Themen Astronomie und Raumfahrt zu beschäftigen – und mit der Kultur der Massai. Dies war besonders wichtig für die Ausgestaltung der Charaktere, die sie gemeinsam mit ihrer Mentorin Hawa Essuman, u.a. Regisseurin von "Soul Boy", entwickelte.
Als Essuman von "Space Maasai" erstmals erfuhr, war sie begeistert von der Idee, die Themen moderne Wissenschaft und Tradition zu vereinen. Die Geschichte sei eine lokale Antwort auf die Herausforderung, die Grenzen zwischen Moderne und Tradition zu überwinden. Essuman beschreibt Marealle als neugierige, motivierte und ehrgeizige Filmemacherin. Als eine Frau in Ostafrika, die in der Filmindustrie groß werden kann, nicht nur, weil sie eine starke Community erreicht, die sie unterstützt, sondern auch, weil sie durch den Film Development Fund der DW Akademie weiter unterstützt wird.
“Einen Film zu machen, ist immer eine große Herausforderung“, sagte Essuman. "Man braucht strategische Intelligenz. Priscilla hat das verstanden und ist auf einem guten Weg!"
Bisher arbeitete Marealle an verschiedenen Projekten in Tansania. Dazu gehören "Katope", der erste tansanische Kurzfilm auf Netflix, und verschiedene Werbefilme und Firmenvideos für große Organisationen. Für den Produzenten Nkya ist es höchste Zeit, dass Marealle die Regie für einen Film in Spielfilmlänge übernimmt, und ihren einzigartigen Stil auch für ein großes Publikum bekannt macht.
"Mit jedem Projekt, an dem sie arbeitet, entwickelt sie sich als Filmemacherin weiter und überwindet die Grenzen des Storytellings in Tansania", sagte er, und fügte hinzu, "Das Programm der DW Akademie hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet und Priscilla in ihren Fähigkeiten weiter gestärkt."
Der DW Akademie Film Development Fund bietet ein einjähriges Fellowship-Programm für Filmemacherinnen und Filmemacher, die an der Entwicklung eigener Dokumentationen in Spielfilmlänge, Spielfilme oder Hybrid-Filme arbeiten. Unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellt der Fund den Teilnehmerinnen und Teilnehmern jeweils 10.000 Euro zur Verfügung, außerdem Mentorinnen und Mentoren, die den gesamten Prozess begleiten. Dazu gehören eigens zugeschnittene Trainings sowie Netzwerkmöglichkeiten.